Ein gelebtes Leben – der erste Teil

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Die mittlerweile 93jährige Klara hat immer noch einen sehr wachen Verstand, betont auch gelegentlich, dass sie noch nie gefallen ist. Gut zu Fuß ist sie dennoch nur bedingt, da ihr Augenlicht sie im Stich gelassen hat – sie ist blind. Und voller Erinnerungen, von denen sie nun endlich erzählen will. Mit einer Hand voll Kassetten fängt sie an, es werden immer mehr, sie hat das starke Bedürfnis, ihre Geschichte zu erzählen…

…welche mir Tessa Mittelstaedt nähergebracht hat. Die ungekürzte Hörbuchfassung von Hörbuch Hamburg dauert 11 Stunden und 27 Minuten, es waren schon kurzweilige Stunden, die mich aber zuweilen ob dem naiven Umgang mit dem Gedankengut und der Handlungsweise der Nationalsozialisten fassungslos machten.

Die junge Klara bekommt eine Anstellung in einem Kinderheim, sie ist sofort mit Leib und Seele dabei, zudem kann sie dadurch ihre Familie finanziell unterstützen. Bald wird die kleine Tolla ins Heim gebracht, vorgesehen war ursprünglich für sie nur ein kurzer Aufenthalt.

Unsere Geschichte beginnt 1929 inmitten der Weltwirtschaftskrise und zieht sich bis zur Zeit des Nationalsozialismus. Das Heim gerät in finanzielle Turbulenzen, die staatliche Bezuschussung steht auf wackligen Füßen und die Nähe zu den immer stärker werdenden neuen Machthabern ist deutlich spürbar. Das Kinderheim wird ganz nach dem Geschmack der Nationalsozialisten in ein Frauenbildungsheim umgestaltet. Und mittendrin Klara, die alles mitmacht – zum Wohle der Einrichtung?

Die Erzählung beleuchtet hauptsächlich die Zeit vor 70 Jahren, um immer wieder nahtlos im Heute zu landen. Ob dieser harte Übergang dem Hörbuch, dem Vorlesen geschuldet ist, kann ich nicht beurteilen. Diese abrupten Schnitte sind gewöhnungsbedürftig, anfangs musste ich zurückspulen, da ich dachte, Sequenzen überhört zu haben. Dem war aber nicht so. Schnell aber gewöhnte ich mich an diese Art des Vortrages, es hat dann schon gepasst. Ich wollte ja Klaras Geschichte hören, die mir die Sprecherin mit ihrer klaren, hellen Stimme gut vermittelt hat.

Alexa Henning von Lange hat erst zwanzig Jahre nach dem Tod ihrer Großmutter die 130 Tonbandkassetten gehört und aus deren Erinnerungen so einiges in „Die karierten Mädchen“ einfließen lassen. Und sie hat viel recherchiert, die Dramatik der damaligen Zeit mit den Schilderungen auf den Kassetten verwoben. So haben sich Fiktion und Wirklichkeit zu einem homogenen Ganzen vermengt. Klara Möbius ist eine Romanfigur, die so oder so ähnlich hätte agieren können.

„Die karierten Mädchen“ ist das erste von drei Büchern, die Klaras Geschichte weitererzählen. Die Figur der Klara wird als unkritisch abgetan, sie ist eher Mitläuferin, schlängelt sich durch, geht den Weg des geringsten Widerstandes, obwohl sie es auch dank ihres Umfeldes besser wissen müsste. Mit Tolla als Gegenpart ist sie die Kämpferin, die sehr wohl um die Gefährlichkeit weiß, der sie sich aussetzt, indem sie ein jüdisches Mädchen mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln beschützen will.

Es ist eine interessante Lebensgeschichte, kurzweilig erzählt mit einem langen, sehr informativen Nachwort der Autorin. Auf die beiden nächsten Teile bin ich gespannt, Klara und ihre Familie inklusive Tolla werde ich weiterverfolgen.