Interessanter Reihenauftakt

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Klara beginnt im hohen Alter und erblindet ihre Lebensgeschichte auf Kassetten aufzunehmen. Sie setzt sich damit erstmals mit ihrer Vergangenheit auseinander, denn gerade mit ihrer Familie hat sie diese Zeit nie aufgearbeitet. Doch nun blickt sie zurück und lässt uns an ihren Erinnerung teilhaben, die mitten in der Weltwirtschaftskrise starten, in der sie als junge zielorientierte Frau das große Glück hatte, eine Anstellung zu finden. Sie arbeitet in einer Art Erholungsheim für kranke Kinder und übernimmt dort mehr und mehr Verantwortung - nicht nur mit Blick auf das Heim, sondern auch auf die ihr anvertrauten Kinder. Einem Waisenmädchen nimmt sie sich dabei besonders an und weicht für die kleine Tolla auch von den Vorgaben ab.
Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten ändert sich allerdings auch für Klara einiges und als relativ unpolitischer Mensch, merkt sie erst nach einer Weile, worauf sie sich wirklich eingelassen hat. Doch schnell wird ihr klar, dass die neuen Machthaber ihr nicht nur beruflich gefährlich werden können, sondern auch in ihr persönliches Umfeld wirken. So gerät Klara in eine schier unlösbare Situation.

Alexa Hennig von Lange erzählt in „Die karierten Mädchen“, inspiriert von der Lebensgeschichte ihrer Oma, die Geschichte einer jungen selbstbestimmten Frau, die ihre Rolle im nationalsozialistischen System finden muss. Klara, die eigentlich eher unpolitisch ist, merkt relativ schnell, dass sie mit der Ideologie der Nationalsozialisten nicht übereinstimmt, sich aber aus verschiedenen Gründen damit arrangieren muss. Gerade durch Figuren aus ihrem Umfeld wird auch immer wieder deutlich, welch moralischer Konflikt daraus entsteht. Somit wird man als Leserin oder Leser auch immer wieder mit der Frage konfrontiert, wie man selbst gehandelt hätte.

Mir hat die Geschichte insgesamt sehr gut gefallen. Allerdings ist es überraschend, dass viele der Figuren den Anschein erwecken, auf Distanz mit dem Regime zu sein, nur Randfiguren erscheinen als überzeugte und engagierte Nationalsozialisten, was aus meiner Sicht nicht ganz realistisch erscheint.

Die Autorin wechselt immer wieder die zeitliche Perspektive, sodass man in einigen Punkten weiß, worauf es hinauslaufen wird, aber die konkreten Ereignisse (noch) nicht kennt.

Das Buch ist der Auftakt einer Trilogie und endet leider nicht wirklich mit einem „Abschluss“. Es ist sehr offen und ich hätte mich gefreut, wenn es etwas runder gewesen wäre. Das ist allerdings nur ein klitzekleiner Kritikpunkt, der bei der abschließenden Bewertung nicht wirklich ins Gewicht fällt.

Mit „Die karierte Mädchen“ hat Alexa Hennig von Lange einen interessanten, spannenden und nachdenklich machenden Reihenauftakt vorgelegt, den ich jedem nur empfehlen kann!