Pakt mit dem Teufel

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Mit über neunzig Jahren beginnt die blinde Klara damit, ihr vergangenes Leben auf Musikkassetten aufzunehmen. Sie beginnt mit einem Tag Anfang August 1929, als sie mit einundzwanzig Jahren, damals hieß sie noch Fräulein Möbius, als Haushaltungslehrerin in einer Heilstätte für Kinder aus ärmsten Verhältnissen mit angrenzendem Waisenhaus ihren ersten Arbeitstag angetreten hat. Eines Tages wird dort ein Baby abgegeben, dessen jüdische Mutter es abholen möchte, sobald sie Arbeit gefunden hat. Klara nimmt sich des Kindes an und gibt das Waisenmädchen Tolla als eigenes Kind aus, als sich herausstellt, dass die Mutter sich umgebracht hat. Bald gibt es Veränderungen in Deutschland, die Lage verändert sich dramatisch und Klara, mittlerweile Leiterin des Heims, bemüht sich darum, dass das Heim verstaatlicht wird, da es sonst aus finanziellen Gründen geschlossen werden muss. Mit wem sie sich da eingelassen hat, wird ihr zu spät klar. Bald gilt es, Tolla zu schützen, sodass Klara eine verhängnisvolle Entscheidung trifft.

Der Schreibstil ist nüchtern, zurückhaltend, fast schon emotionslos, aber dies liest sich oberflächlich nur so. Es passt zur Geschichte und der damaligen Zeit, dass hier keine blumige Sprache gewählt wurde, das Thema ist zu ernst. Mir hat diese distanzierte Erzählweise sehr gefallen und nach einiger Zeit fiel es mir gar nicht mehr auf, so vertieft war ich in die Erinnerungen der alten Frau. Die junge Klara steht für mich stellvertretend für viele Menschen zur damaligen Zeit; nichts sehen, nichts hören, aussitzen und abwarten, bis sie vorüber ist, die Macht der braunen Brut. Dass dies nicht geklappt hat, kann man heute in jedem Geschichtsbuch nachlesen.

„Soll doch die Hakenkreuzflagge da draußen wehen. Mir bedeutet sie gar nichts. Und wäre ich eine Schriftstellerin, ich würde darum betteln, dass sie meine Bücher verbrennen. Gäbe es denn einen schöneren Beleg dafür, dass ich reinen Herzens bin?“ (Seite 218)

Für Klara spricht ihre Jugend und ihre Naivität, die für mich so eine große Diskrepanz darstellen zu ihrem sonstigen Wesen; sie ist intelligent, tatkräftig, selbstbestimmt und fleißig genug, um bereits mit Mitte zwanzig eine leitende Funktion erlangt zu haben. Die junge Frau ist so damit beschäftigt, das von ihr geleitete Heim zu retten, dass sie sich mit dem Teufel einlässt, und als es ihr auffällt, ist es zu spät, aus dem Deal wieder auszusteigen. Entweder mitlaufen oder sterben, eine weitere Wahl gibt es nicht für Klara, wie sie sehr schnell lernen muss.

„Sie alle passten sich an, machten heimlich ihre kleinen Witze oder schimpften, wenn niemand zuhörte. Doch keiner von ihnen tat etwas gegen das, was so klar als Unrecht gegen die jüdische Bevölkerung und politisch Andersdenkende zu erkennen war. Der Zeitpunkt, an dem sie oder andere gleichgesinnte Menschen noch einmal ihre Stimme hätten erheben können, um den Anfängen zu wehren, war längst vorbei.“ (Seite 255)

Mir hat das Buch sehr gefallen, die Geschichte von Klara, die auf echten Erzählungen der Großmutter der Autorin beruht, war unterhaltsam, spannend, oft aufwühlend und am Ende sehr emotional. Viele Fragen blieben bei mir offen, was daraus resultiert, dass es sich um eine Trilogie handelt. Dies war der erste Teil und ich kann die Fortsetzung bereits kaum erwarten. Von mir gibt es verdiente fünf Sterne und eine Leseempfehlung.