Zu unkritisch

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m.curie Avatar

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In "Die karierten Mädchen" erzählt Alexa Hennig von Lange in zwei Zeitebenen davon, wie Klara, blind und über 90-jährig, ihre Lebensgeschichte ab 1929 auf Kassetten aufnimmt. Vorlage dazu ist die Lebenserinnerung ihrer eigenen Großmutter, die diese in gleicher Form ihrer Familie hinterlassen hat. Diese ist eingebettet in eine Erzählung, in der ihr die Autorin das jüdische Mädchen Tolla zur Seite stellt und - wie sie selbst im Nachwort sagt - "in der sich moralische Fragen stellen".

Der Erzählstil ist fesselnd und vom ersten Moment an mitreißend. Die Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart ist gut gelungen. Allerdings bleibt Klaras Charakter oberflächlich und widersprüchlich. Sie wird als selbständige, anpackende junge Frau beschrieben, der alles zu gelingen scheint. Im Gegensatz dazu steht ihre Naivität, mit der sie den Nazis begegnet. Auch im Alter scheinen ihr keine großen Zweifel zu kommen, obwohl sie doch eigentlich ihren Kindern und Enkeln erzählen möchte, wer sie wirklich war und was sie getan hat und auf deren Verständnis hofft. "Dieser Teil ihrer Erinnerungen war düster und schmerzhaft. In ihm tobten Schuld und Verzweiflung, Sehnsucht und Liebe." Leider sind dies nur leere Worthülsen, die in der Geschichte nicht mit Leben gefüllt werden. Darüber kann auch Tolla nicht hinwegtäuschen, die eher den Eindruck eines Alibis erweckt, das die alte Dame von jeglicher Schuld freisprechen soll.

Die Idee, die Großmutter als Zeitzeugin zu Wort kommen zu lassen, finde ich prinzipiell sehr gut, allerdings hätte ich mir eine kritischere Auseinandersetzung mit deren Erinnerung gewünscht, wenngleich dies sicherlich keine leichte Aufgabe und schmerzhaft ist.

Wer über all das hinwegsehen will und kann, wird mit den "karierten Mädchen" aber gut unterhalten werden.