Spannender vierter Teil der Reihe

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happymountain Avatar

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„Die Karte“ ist der vierte Teil der Kerner und Oswald-Reihe von Andreas Winkelmann. Wie man es vom Autor gewohnt ist, hat er sich auch in diesem Buch wieder mit den Gefahren beschäftigt, die von den sozialen Medien ausgehen - zumindest, wenn man mit seinen sensiblen Daten nicht gewissenhaft umgeht. Allerdings hat Andreas Winkelmann noch viele weitere wichtige Themen in sein neuestes Werk einfließen lassen, u.a. Drogensucht, Gleichstellung von Mann und Frau, gleichgeschlechtliche Liebe, Gaffer bei Unfällen und die steigende Brutalität, mit der die Polizei mittlerweile tagtäglich konfrontiert wird. Das wirkt auf den ersten Blick sicher erschlagend, aber es ist meines Erachtens sehr gut ins Buch eingearbeitet ohne einen stets erhobenen Zeigefinger beim Lesen zu verspüren.
In „Die Karte“ werden junge Joggerinnen Opfer eines Serienmörders, der sie anhand ihrer online geteilten Laufstrecken ausspioniert, aufspürt und tötet. Er zeichnet die Initialen seiner Opfer in Form von Laufstrecken in digitale Karten und meint damit eine neue Art Kunst zu erschaffen. Die Täterperspektive, die in der beliebten Ich-Form geschrieben ist, fand ich beim Lesen richtig, richtig unheimlich. Die Gedanken des Mörders geben dessen Wahnsinn komplett frei und haben mich nur mit offenem Mund den Kopf schütteln lassen. Das restliche Buch wird in der dritten Person erzählt, beleuchtet aber immer andere Figuren, was mir sehr gut gefallen hat. Mal folgt man dem zukünftigen Opfer, mal den Ermittlern. Es gibt aber auch noch einen Handlungsstrang in der Vergangenheit, der zunächst komplett losgelöst vom restlichen Buch wirkt und die traumatische Kindheit eines kleinen Mädchens erzählt. Ich persönlich fand diese Kapitel am ergreifendsten. Das lag vermutlich daran, dass ich als Scheidungskind mit Alkoholiker-Vater auch meine Erfahrungen gesammelt habe. An sich fand ich aber ALLE Figuren vom Autor sehr authentisch und glaubhaft dargestellt.
Kleines Manko: Nach dem ersten Viertel (oder Drittel – so genau kann ich das nicht mehr sagen) war ein bisschen die Luft heraus, was die Spannung betraf, da die Ermittlungen stagnierten. Trotzdem wurde mir nicht langweilig, da ich weiter rätselte und Winkelmann einfach einen tollen, lockeren Schreibstil hat. Gegen Ende wurde es dann auch richtig nervenaufreibend und die Spannung kam nicht zu kurz. Mir persönlich gefiel das Ende des Buchs richtig gut, da ich den Zusammenhang aller Puzzleteile so nicht habe kommen sehen. Allerdings darf man sich als Leser schon fragen, ob das nun auch alles realistisch ist. (Ich finde nein!) Das Buch ist aber einfach so gut durchgeplottet, dass es Spaß macht, es zu lesen und mit zu fiebern. Aufgrund der Fülle an Themen und der komplexen Handlung mag es für den einen oder anderen Leser ggf. zu überladen und konstruiert wirken, ich persönlich mochte es aber, da die Unterhaltung für mich beim Lesen an oberster Stelle steht.
Übrigens ist „Die Karte“ das erste Buch, das ich gelesen habe, dass die Corona-Pandemie aufgreift. Andreas Winkelmann lässt hier und da Nebensätze einfließen, die auf das Thema verweisen. Allerdings war in seinem Buch die Pandemie vorbei. Ich hoffe im nächsten Buch ist das keine Fiktion mehr. 😉
Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich es genossen habe, das Buch zu lesen und damit recht schnell fertig war, um meiner Neugier gerecht zu werden. Das Ausmaß der Digitalisierung und der damit verbundenen möglichen Gefahren wurde wieder sehr gut vom Autor dargestellt und regt zum Nachdenken an. Die Atmosphäre einiger Kapitel fand ich grandios und der Schreibstil war wie immer fantastisch. Für mich ein starker – wenn auch nicht ganz perfekter – vierter Teil der Reihe. Von mir bekommt ihr eine Leseempfehlung.

PS: Das Buch ist auch unabhängig von den anderen Teilen lesbar.