Wenn "Momfluencer" ihre Kinder fürs eigene Ego instrumentalisieren

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mrscatastrophy Avatar

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Schon auf den ersten 30 Seiten wirft uns Delphine de Vigan in einen Roman, der so traurig ist wie realistisch. Von der französischen Version von "Big Brother" beeinflusst, sehnt sich Mélanie seit ihrer Jugend nach der trügerischen Berühmtheit, die Reality-TV-Shows versprechen. Als sie damit jahrelang keinen Erfolg hat und die Sozialen Medien zunehmend selfmade-Berühmtheit ermöglichen, bei der keine Produktionsfirmen über die Kandidat*innen entscheiden, sondern die Follower*innenschaft, beschließt Mélanie offenbar, diesen Weg zu beschreiten. Zu allem Überfluss stellt sie sich nicht nur selbst bloß, sondern ihre Kinder gleich mit, gewinnt genau dadurch eine Fangemeinde und bezahlt mit dem Verschwinden eines ihrer Kinder.

Mit diesem Plot trifft die Autorin einen Nerv, denn das Phänomen der "Momfluencer" und die selbstbezogene Bereitschaft, das eigene Kind der sozial-medialen Öffentlichkeit auszusetzen, ist keineswegs nur eine kleine oder vorübergehende Erscheinung. Welche Gefahren neben der Verletzung der Persönlichkeitsrechte damit einhergehen, blenden die Eltern zugunsten der Berühmtheit gern aus. Dass de Vigan mit ihrem Roman deutliche Kritik üben möchte und daraus keinen Hehl macht, ist also dringend nötig und macht den Roman schon auf den ersten Seiten sehr spannend.
Mich würde sehr interessieren, wie sie ihre Beamtin den Fall lösen lassen möchte und wie genau die Kritik ausfallen wird - denn neben den individuellen Eltern sind es natürlich auch die gesellschaftlichen Zustände, die ein solches Verhalten fördern. Ich möchte Delphine de Vigan schon lange lesen und dieses Buch klingt definitiv nach einem guten Einstieg.