Die geteilten Inszenierungen

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
wilde hummel 1 Avatar

Von

Delphine de Vigan hat in ihrem aktuellen Roman 'Die Kinder sind Könige' erneut ein sozialkritisches Thema in den Fokus genommen. Eine Familie, vor allem die Mutter Mélanie Diore, veröffentlicht in den sozialen Medien ihre beiden Kinder Kimmy und Sammy in kleinen Szenen - scheinbar spontan aufgenommene private Bilder, die jedoch geschickt in Pose gesetzte Inszenierungen sind. Influencer und ihre Follower in einer virtuellen Welt, die neben enormem Geld- und Warenzufluss auch Berühmtheit und Liebe vorgaukelt. Suchtartig kann die Mutter nicht mehr auf ihre virtuelle Community verzichten und filmt und teilt und katapultiert ihre Familie in eine Parallelwelt. Und dann verschwindet die 6-jährige Kimmy plötzlich und Clara, eine Kriminologin beginnt mit der Suche. Delphine de Vigan beschreibt jede Person empathisch, ohne Schuldzuweisung oder einfachen Erklärungen. Teilweise liest sich der Roman wie ein Krimi durch die eingeschobenen Protokolle; ist jedenfalls von der ersten Seite an spannungsreich aufgebaut. Seit den frühen Realityshows, seit Big Brother haben Kinder heute oft schon vor der Geburt eine digitale Persönlichkeit (gepostete Ultraschallbilder während der Schwangerschaft). Im letzten Teil des Romans springt die Geschichte in das Jahr 2031 und beschreibt die psychischen Folgen einer permanenten Exposition der Kinder und eine dystopische Zukunft. Mich hat das Buch sehr nachdenklich gemacht und sensibler für die Grenzen zwischen privater Intimität und öffentlicher Showrooms.