Erschreckend

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minijane Avatar

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Die französische Autorin Delphine de Vigan hat sich ein topaktuelles Thema vorgenommen, nämlich die Welt der Familien-YouTuber , die Welt der Eltern, die ihre Kinder in sozialen Medien vermarkten, um es mal knallhart auszudrücken.

Mélanie, eine der Protagonistinnen in der Geschichte hat es mit ihrem YouTube Kanal Happy Récré zu einer Internet Berühmtheit geschafft. In Zeiten von Fernsehformaten wie „Big Brother“ aufgewachsen, hatte auch sie das Ziel mediale Aufmerksamkeit zu erreichen und ein Star zu werden. Da ihr dies selbst nicht gelungen ist, hat sie ihren Wunsch quasi auf ihre Kinder übertragen. Mit kleinen Filmchen, die sie ins Netz stellt, fängt es an. Doch Mélanie wird schnell professioneller, indem sie erfolgreiche andere Kanäle im In-und Ausland kopiert. Ihre Kinder sind in ihren Internet-Inszenierungen die Hauptpersonen und müssen von klein auf damit klar kommen, dass sie ständig gefilmt werden und die Follower des Kanals mit irgendwelchen Challenges bespaßen. Mélanie‘s Engagement ist so lukrativ, dass ihr Ehemann Bruno irgendwann seinen Job kündigt und die Familie ihren Lebensunterhalt und darüberhinaus eine Menge Luxus über die Filmerei finanziert.

Doch eines Tages, die Kinder spielen mit den Nachbarkindern einmal unbeaufsichtigt Verstecken, ist die 6jährige Kimmy plötzlich verschwunden.

Hier lernen wir die 2. Protagonistin, die Polizistin Clara kennen, der die Internet Präsenz der Familie völlig fremd ist und die ihre Sicht bei den Ermittlungen zum Fall des verschwunden Mädchens schildert. Clara ist das komplette Gegenteil von Mélanie, eher introvertiert, behütet aufgewachsen bei politisch sehr engagierten Eltern, hat sie sich bewusst für ein Leben ohne Kinder entschieden.

Das Thema des Roman‘s finde ich wirklich wichtig, bestimmen die sozialen Medien doch zunehmend unseren Alltag. Mélanie hätte ich manchmal gerne geschüttelt. Sie hat im Glauben die beste Mama der Welt zu sein, bis zuletzt gar nicht gemerkt, was sie ihren Kindern angetan hat. Interessant fand ich deshalb auch einen 3. Strang der Geschichte, der einen Ausblick in die Zukunft gibt und die Folgen dieser unfreiwilligen Internetkarriere aufzeigt.

Es ist zwar der erste Roman der Autorin für mich, aber ich hatte mir eine mehr literarische Sprache vorgestellt. Das war hier nicht der Fall. Der Roman hat eine sehr sachliche, nüchterne Sprache, die allerdings auch sehr gut zum Thema passt. Den 3. Teil hätte ich mir vielleicht noch etwas ausführlicher gewünscht.

Zwischendurch sind immer wieder Zusammenfassungen von Mélanie‘s Video‘s eingestreut. Auch das fand ich sehr interessant und konnte nur staunen auf was für abstruse Ideen man kommen kann.

Das Buch ist aus meiner Sicht auf jeden Fall eine Leseempfehlung. Es liest sich schnell und bietet reichlich Diskussionsstoff.