Könige & Melkkühe ... sind die Kinder ...

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luna80 Avatar

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Mélanie betreibt einen sehr erfolgreichen Familienkanal auf Youtube, „Happy Récré“. Hauptakteur*innen dieser Kanäle sind ihre Kinder Sammy und Kimmy. Nach jahrelangem Hinhecheln auf Ruhm und Moneten hat Mélanie den Durchbruch geschafft, zwar mit ihren Kindern, dennoch flattern die Scheinchen und die Bekanntheit täglich schwer bei der Tür herein. Millionen Follower*innen und extrem einträgliche Sponsoringverträge machen die Familie reich.
Als Tocher Kimmy älter wird hat sie immer weniger Lust sich dauernd filmen zu lassen und nett in die Kamera zu lächen. Doch Mommy-Influencerin Mélanie übersieht den Unmut und psychische Belastung ihrer Tochter, ignoriert sie förmlich, da sie die Sichtbarkeit, Klicks und Likes für ihren Selbstwert braucht. Doch eines Tages ist Kimmy verschwunden und Mélanie verfällt in einen weiteren, ganz persönlichen Wahnsinn, der auch ihre Familie in die Tiefe reißt. Die Realität rauscht bei der Türe herein wie ein ICE und mit ihr die Polizeibeamtin Clara.

Aktueller, notwendiger, eindringlicher, gefährlicher denn je – sind die realen digitalen Situationen um die neue Lektüre von Delphine de Vigan. Wie oft sehen wir sie auf Instagram … die Mommy-Influencerinnen, die laut mutmaßen, wie gerne ihre Kinder sich online zeigen und wie wichtig den Kindern das auch ist. Was für ein B.U.LL.SH.I.T. Die Unschuld der Kleinen wird bis in die persönlichen Tiefen ausgenutzt, einzig und allein, um es sich in den Dagobert-Talern gemütlich zu machen.
Die Autorin schreibt sehr stark und raffiniert über das Mysterium der heutigen Zeit, in dem Fame-Mütter ihre Kinder instrumentalisieren und diese finanziell melken, ohne Rücksicht auf Verluste. Protokollartig werden das Verschwinden und die letzten Tage im Buch beschrieben. Und das hat mich extrem gefesselt. Den Schreibstil mag ich sowieso sehr gerne und den Aufbau der Bücher auch. Wir lernen Mélanie in drei Erzählsträngen kennen, die sehr interessant die Geschichte verweben: als Jugendliche, zum Verschwinden ihrer Tochter im Jahr 2019 und in der Zukunft, im Jahr 2031. Lesend streifen wir aus verschiedenen Perspektiven der Handlungsträger*innen durch den Roman.
Da die Mutter ihre Kinder wie Kamele verhökert, ist der Titel sehr passend: Die Kinder sind Könige! … im Sinne von königlichen Melkkühen & der Ausbeutung selbiger im Netz.

Gesellschaftskritik verpackt in eine Art Krimi – well done! Ich bin total begeistert und daher eine große Leseempfehlung!