Roman, der aufrüttelt

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elfe1110 Avatar

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Mélanie ist eine erfolgreiche YouTuberin, die regelmäßig Videos von ihren kleinen Kindern Sammy und Kimmy postet. Über die Jahre ist die Bekanntheit gewachsen, ebenso das Vermögen der Familie. Eines Tages dann verschwindet Kimmy beim Spielen vor der Wohnung spurlos und eine fieberhafte Suche, die von der Polizeibeamtin Clara begleitet wird, beginnt.
Das Ausmaß dieser Story hat mich von der ersten bis zur letzten Seite emotional sehr bewegt! Mélanie lebt ausschließlich in und für die sozialen Medien, erfährt dort „Liebe“ und „Anerkennung“. Ihre Welt ist diese Blase aus Likes und Emojis, aus Stories, Werbeverträgen und Lächeln in die Kamera, die erst durch den Erfolg ihrer Kinder entstand. Die beiden leben den Traum, der ihr verwehrt wurde und den sie nun über Umwege teilen darf. Wie kann man das nicht lieben? Die Kehrseite dieses Lebens scheint für sie nicht existent zu sein.
Dem gegenüber ist die Figur der Clara im Roman dezenter. Aber genau das ergibt den deutlichen Gegenpol zu Mélanie. Clara lebt sehr zurückgezogen und allein, ist viel mit ihren Gedanken und Gefühlen beschäftigt, hat ein sehr gutes Gespür für Nuancen in ihrem Umfeld, die sie „aufhorchen“ lassen.
Dieser Roman ist schnell, aufrüttelnd, stimmungsgeladen, weil er so viele Missstände anspricht: Überehrgeiz der Eltern, finanzielle Abhängigkeit, Verlust der Kindheit, Missbrauch von Kinderbildern im Netz, Depressionen. Gefühle von Wut, Fassungslosigkeit, Mitgefühl sind da schnell präsent. Die bittere Realität: Dieser Roman findet statt, täglich. Um es mit D. de Vigans Worten zu sagen: „Glauben Sie, ein Kind von zwei, vier oder zehn Jahren kann das wirklich wollen? Glauben Sie, ihm ist klar, was es tut?“ (S. 263)
Ein wichtiger Roman, der die richtigen Fragen stellt: Wie sehr lassen wir die sozialen Medien in unser Leben, wie „echt“ ist dieses Leben? Und wie können wir als Gesellschaft diejenigen schützen, die es selbst für sich nicht können?