Wenn der Schein trügt

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roomwithabook Avatar

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Kimmy und Sammy sind berühmt, weil ihre Mutter Mélanie sie fast täglich im Internet vorführt und damit sehr viel Geld verdient. Sie werden gefilmt, wenn sie neue Spielsachen auspacken, wenn sie sich im Laden für neue Turnschuhe entscheiden sollen und noch bei vielem mehr, das Konsum und damit Sponsoren verspricht. Doch eines Tages verschwindet Kimmy spurlos, während sie vor der Haustür mit ihrem Bruder und einigen Nachbarskindern Verstecken spielt. Ist sie vielleicht entführt worden? Die Polizistin Clara, in allem so ziemlich das Gegenteil von Mélanie, macht sich auf die Spurensuche. Doch dafür muss sie sich erst mal in die ihr völlig fremde Welt der Influencer*innen einarbeiten. Und ist schockiert.

„Ihre Eltern hatten sich geirrt. Sie glaubten, Big Brother werde durch eine äußere, totalitäre und autoritäre Macht verkörpert, gegen die man sich auflehnen müsse. Doch Big Brother hatte es gar nicht nötig gehabt, sich durchzusetzen. Big Brother war mit offenen Armen und nach Likes dürstenden Herzen empfangen worden, und jeder war bereit gewesen, sein eigener Henker zu sein.“

Delphine de Vigan hat einen spannenden Roman geschrieben, der sich gekonnt mit den Tücken der virtuellen Welt auseinandersetzt und in einem letzten, in der Zukunft angesiedelten Kapitel auch beschreibt, welche Auswirkungen die ständige Sichtbarkeit auf die betroffenen Kinder haben könnte. Trotzdem waren mir die beiden Hauptfiguren, Mélanie und Clara, oft ein wenig zu eindimensional dargestellt. Besonders Mélanie erscheint so unglaublich unreflektiert und ichbezogen, dass es kaum zu glauben ist. Aber möglicherweise kann nur ich mir nicht vorstellen, dass man so sein kann, sich für eine gute Mutter hält und doch nicht erkennt, wie es den eigenen Kindern geht. Wer Bestätigung sucht, kann sie im Netz finden, denn Bilder sind mächtig und die nicht so schönen Momente müssen ja nicht geteilt werden. Deshalb ist dieses Buch durchaus empfehlenswert, auch wenn es manchmal etwas subtiler hätte sein können. Das offene Ende hingegen hat mich dann wieder sehr gut gefallen.