Zwiegespalten

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ninoreads Avatar

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Diese Buch zu bewerten, fällt mir unglaublich schwer. Ich habe zuvor noch kein Buch von der Autorin gelesen, habe aber immer nur Positives gehört und dachte: Komm, jetzt ist es mal soweit und du widmest dich dem neuen Roman.
Der Klappentext ist sehr interessant gestaltet und auch der Umschlag um das Hardcover schafft eine nicht ganz zu deutende und mystische Atmosphäre.
Mit meinem Lesebuddy, habe ich mich zwischendrin immer wieder ausgetauscht, was das Lesen noch einmal intensiver werden ließ.

Zum Inhalt:
Der/die Leser*in wird sofort in die Geschichte hineingeworfen. Wir lernen Melanie und ihre Faszination von Big Brother kennen, ein paar Jahre später wird ihre Tochter entführt und Polizistin Clara widmet sich dem Fall. Im Verlauf des Buches, beobachten die allwissenden Leser*innen sowohl die Kinder von Melanie, als auch Melanie und die Polizistin Clara. Insgesamt wird so ein intensives Bild gewoben, was aber sehr viel Spielraum für Interpretationen bietet. Das funktioniert eigentlich auch gut, aber irgendwann ist dieses Wischiwaschi und anteasern auch zu redundant und ich möchte eine Auflösung des Themas. Für mich wurde hier zu wenig auf die Thematik eingegangen (klar ist es ein Roman und kein Sachbuch, aber die Chance hätte man gehabt, sich mehr mit der Verbindung von Kindern und Exploration auseinanderzusetzen) und die Auflösung des Falls, las sich wie eine Notlösung. Einige Dinge waren mir so schnell klar, dass sich nie eine Spannung aufbaute. Dann konnte ich nie, aber auch wirklich nie, mit Clara oder Melanie sympathisieren. Die Charaktere kamen mir teilweise so kalt vor, die Kinder haben sich viel zu erwachsen artikuliert und das Ende war überhaupt nicht zufriedenstellend. Gleichzeitig muss ich sagen: chapeau an die Autorin dafür, dass sie diese Sympathie meinerseits komplett verdrängen konnte und ich doch schockiert oder genervt von Melanie und Clara wurde. Es fällt uns Menschen erfahrungsgemäß einfacher, Charaktere zu gestalten, mit denen wir sympathisieren und die wir verstehen können. Jetzt hoffe ich aber, dass die Autorin die Charaktere entsprechend entgegen ihrer persönlich Neigung geschrieben hat. Das finde ich dann sehr beeindruckend, einen Charakter doch so greifbar zu machen. Ich muss schon sagen, dass die Gesellschaftskritik angebracht ist und es eine leicht erhobener Zeig mit dem Finger ist, ohne zu belehrend sein zu wollen. Das interessiert mich jetzt aber doch auf einer sachlichen Ebene.

Meiner Lesepartnerin kamen die immer wiederkehrenden "Protokolle" viel zu umfangreich vor. Für mich jedoch, sind die Protokolle ein essentieller Bestandteil des Buches. Gerade, weil ich nicht davon ausgehen kann, dass alle Menschen, die das Buch lesen werden, sich in der Medienwelt auf YouTube so sehr auskennen, dass sie über jedes Kind und jedes Person im Netz Bescheid wissen, bzw. darüber, wie weit manche Content-Creator*innen gehen, um viel Geld zu verdienen und Anerkennung zu erhalten.

Ich würde sagen, dass ist ein Buch, dass Gemüter stark spaltet. Die einen werden es lieben, die anderen werden es hassen oder sich nicht entscheiden können. Ebenso wie ich! Also gebt dem Buch eine Chance!