Neue Wege in der Kindererziehung anno 1924

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„...Ich bin Pädagoge geworden, weil ich davon überzeugt bin, dass es die Kinder sind, die einen Krieg verhindern können. Sie sind unsere Zukunft...“

Wir schreiben das Jahr 1924, als Michael Brenner diese Sätze ausspricht. Er konnte nicht ahnen, wie kurz die Friedenszeit ist.
Die Autorin hat einen abwechslungsreichen historischen Roman geschrieben. Er lässt sich problemlos ohne Kenntnis des ersten Bandes lesen.
Der Schriftstil ist ausgereift. Es sind vor allem die gut ausgearbeiteten Gespräche, die die Widersprüche der Zeit aufzeigen.
Greta lebt mit ihrer Tochter noch im Elternhaus zusammen mit Schwester und Schwager. Ihre Schwester Emma ist Tierärztin, genau wie deren Mann. Gretas Mann gilt als verschollen. Emma macht ihr klar, dass sie sich langsam wieder dem Leben öffnen muss.
Im Schlossgarten von Schönbrunn trifft Greta Melanie. Die junge Frau will sich als Erzieherin ausbilden lassen. Kurzerhand schließt sich Greta ihr an.
Das Schloss und seine Umgebung werden sehr gut beschrieben.

„...Greta lief den Weg zur Gloriette, wo Kaiser Franz Joseph einst mit seiner Geliebten Katharina Schratt gefrühstückt hatte. Von hier aus hatte man einen herrlichen Blick zum Stephansdom. Die akkurate Symmetrie ging auf Maria Theresias Architekten zurück...“

Im Wien des Jahres 1924 regieren die Sozialdemokraten. Sie finanzieren auch das Kinderheim im Schloss. Dort macht Greta während ihrer theoretischen Ausbildung ihr Praktikum. Schnell wird Greta klar, wie tief die Kluft zwischen Theorie und Praxis ist. Während in der Schule über gewaltfreie Erziehung gesprochen wird, gibt es im Kinderheim Frauen, die das ganze Gegenteil praktizieren. Sie schließen von den Eltern auf die Kinder und geben denen deshalb keine Chance. In den Gesprächen zwischen Michael und Greta werden wichtige Fragen angesprochen. Kann es die Lösung sein, den Eltern die Kinder wegzunehmen, nur weil sie keine Arbeit und kein Geld haben? Welche Spuren hat die Vergangenheit in den Kinderseelen hinterlassen?
An verschiedenen Einzelschicksalen wird gezeigt, mit welchen Päckchen die Kinder ins Heim kommen. Noch herrscht auch hier das Recht des Stärkeren. Doch Greta versteht es, gefühlvoll und behutsam die Jungen zum Nachdenken zu bringen.
Als sich Michael und Greta näher kommen, wird auch der Krieg wieder zum Thema.

„...Es ist das Wesen des Krieges, das Menschen in Monster verwandelt. Die Angst, selbst zu sterben, macht uns zu Mördern...“

Ein Nachwort trennt Fiktion von Realität. Schade, dass dem Kinderheim keine lange Zukunft beschert war.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen.