Reformpädagogik in der Praxis

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tochteralice Avatar

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1924: Greta führt ein durchaus erfülltes, wenn auch häufig trauriges Leben, denn ihr Mann Gustav wird nach dem Großen Krieg immer noch vermisst, was quasi gleichbedeutend ist mit gefallen. Greta, die mit Schwester Emma und Schwager Julius auf engem Raum zusammenlebt, erzieht ihre Tochter Gisi, mittlerweile im Vorschulalter und sieht keine Notwendigkeit, ihr Leben zu ändern, auch wenn Emma und Julius, die beide als Tierärzte tätig sind,

Hier steht neben der Romanhandlung um die Schwestern Greta und Emma Winter diesmal die Reformpädagogik der frühen Jahre im Vordergrund. Ein Thema, das mich sehr fasziniert, haben doch Geschichte und Berufspädagogik in meinem eigenen Arbeitsleben bzw. in der Ausbildung immer wieder eine Rolle gespielt.

Durch Zufall stößt Greta auf einen reformpädagogischen Ausbildungsgang, der so tatsächlich damals stattfand. Sehr gut gefällt mir die Darstellung der Diskrepanz zwischen den vermittelten Inhalten und dem Umgang mit den Zöglingen in den Kinderheimen.

Ein faszinierender Roman über Menschen im Wien in den 1920er Jahren - die Autorin hat verstanden, sowohl historische Fakten als auch die Atmosphäre dieser Zeit zu vermitteln, was ich sehr zu schätzen wusste, zumal mich auch Gretas Geschichte gepackt hat. Ein wenig wurde das durch die Sprache, die - so fand - desöfteren aktuelle Redewendungen, Ausdrücke und Wörter beinhaltete, deren Gebrauch ich mir Jahre vor der Eskalation der Weltwirtschaftskrise (allem voran "macht Sinn", das gefühlt in jede zweite Redewendung einfließt) nur schwerlich vorstellen kann, geschmälert. Außerdem folgt die Autorin dem Schema des ersten Bandes, indem Greta durch die Aufnahme ihrer Ausbildung und Berufstätigkeit einen Verehrer findet - das hätte so direkt aus meiner Sicht nicht wiederholt werden müssen. Aber das stört andere Leser möglicherweise weniger als mich und auch ich habe den Roman dennoch gern gelesen!