Weltkriegsroman mit guten Beginn und leider mehr als schwachem, unglaubhaftem Schluss. Schade!

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Buchinhalt:

Deutschland, 1943: der Krieg in Europa ist im vollen Gange, es wird an vielen Fronten gekämpft. Genau zu dieser Zeit verpflichtet sich die junge Nürnbergerin Inge beim Roten Kreuz, in der Hoffnung, nach Nordafrika geschickt zu werden, in ihre Jungmädchenträume von 1001 Nacht. Doch das RK schickt sie in ein Lazarett an die Ostfront, wo Tod, Leid und Grauen Tage und Nächte füllen. Dort lernt Inge den Wehrmachtsoberst Preuss kennen und mit ihm reist sie schließlich nach Italien, wo am Kloster Montecassino ein neues Lazarett eröffnet werden soll. Dort trifft Inge schließlich auf Lorenzo, einen jungen Bauernsohn – und verliebt sich in ihn. Lorenzo ist ein Untergrundkämpfer und schon bald steht Inge vor der wohl schwersten Entscheidung ihres Lebens….


Persönlicher Eindruck:

Unter dem Pseudonym Tara Haigh breitet die Autorin Tessa Hennig hier einen historischen Roman vor ihrer Leserschaft aus, der schonungslos und unverblümt den Schrecken an der Ostfront des Zweiten Weltkrieges und das Grauen und Leid der verwundeten Soldaten mehr als deutlich macht. Mitten in dieser blutigen Hölle: die junge Rotkreuzschwester Inge, die ursprünglich von einem völlig anderen Einsatzort träumte und sich dann jäh in der Realität wiederfand.

Inge ist gerade zu Beginn unbedarft und vollkommen naiv, durch die Indoktrination in Schule und BDM glaub sie fest an den Sieg der Wehrmacht und an Glorie und Ruhm. Erst im Frontlazarett angekommen sieht sie das wahre Gesicht des Krieges. Inge steht stellvertretend für so viel tausend junge Leute, die aufgrund der Propagandamaschinerie des Dritten Reiches eine völlig andere Vorstellung von den Zuständen im Reich hatten – was absolut nachvollziehbar und authentisch ist.

Die Recherche bezüglich des Rotkreuzeinsatzes in einem Frontlazarett war vorzüglich und detailliert, Haigh schildert das Grauen aus der Sicht von mehreren RK-Schwestern und Ärzten. So nimmt es auch nicht Wunder, dass Inge die Chance ergreift, die ihr Oberstleutnant Preuss bietet: Versetzung nach Italien, zum Kloster Montecassino.

Sieht man von einigen historischen Unstimmigkeiten ab, wie zum Beispiel dem reichhaltigen Speisenangebot im Speisewagen, den es seit 1942 jedoch so nicht mehr gab oder der fehlenden Bezahlung mittels Lebensmittelmarken und der recht guten Versorgung mit Fleisch und anderen Nahrungsmitteln, ist die erste Hälfte ein durchaus glaubhafter Kriegsroman. Leider kippt die Geschichte in der zweiten Hälfte zusehends, was angesichts des wirklich guten ersten Teils sehr schade ist.

In Italien wandelt sich die Geschichte hin zu einer Liebesgeschichte mit Inge als weiblicher Hauptfigur zwischen zwei Männern: dem regimetreuen Wehrmachtsoffizier und Inges Mäzen Preuss einerseits und dem armen italienischen Bauern Lorenzo, zudem Widerstandskämpfer bei den Partisanen andererseits. Natürlich erzeugt der krasse Gegensatz zwischen den beiden männlichen Hauptfiguren eine gewisse Brisanz und Spannung, keine Frage. Was anfänglich auch noch den historischen Teil rund um das Kloster Montecassino und seine Kulturschätze befeuert, kippt im letzten Drittel um in eine unglaubhaft-rosarote Geschichte um Herzeleid und Familienglück.

Tut mir leid, aber es war für mich absolut unglaubhaft, in welcher Art und Weise Preuss hier agiert, Inges Vater aus dem KZ frei bekommt (er hat diesbezüglich keinerlei Befugnisse) und schließlich mit Inge nach Deutschland desertiert. Das war reine Liebesroman-Fantasy und hat wenig zu tun mit der Realität der damaligen Zeit. Wer bei einem historischen Roman keinen sonderlichen Wert auf historische Details legt, nimmt daran wohl keinen Anstoß – ich jedoch tue es. Für mich hat die Liebesschnulze (anders kann ich es leider nicht bezeichnen) des letzten Drittels den wirklich tollen Beginn vollkommen ad absurdum geführt und schmälert zusammen mit den historisch nicht korrekten Teilen zu Beginn meinen Lesegenuss durchaus.

Fazit: Ein Roman mit eingängiger Erzählweise, der als gut recherchierter Weltkriegsroman-Tiger losspringt, dann aber als rosarotes Plüschkätzchen aus recht plattem, übersüßtem Herzschmerz landet. Dadurch verliert der Gesamtplot für mich jedwede Überzeugungskraft. Schade!