Amerikanischer Traum

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Als kleines Mädchen flüchtet Malka mit ihren Eltern und drei Schwestern aus ihrer Heimat. Über Hamburg will die jüdische Familie nach Afrika, wo Malkas Onkel mütterlicherseits lebt. Doch kurzerhand entscheidet der Vater sich eigenmächtig um, ihn reizt Amerika. Die Tickets werden heimlich getauscht, das neue Ziel heißt New York. Anders als erträumt erwartet die Einwanderer hier nur Elend und Hunger. Selbst die kleinsten Kinder müssen arbeiten. Schließlich verlässt der Vater die Familie. Eines Tages wird Malka von einer Pferdekutsche angefahren und kommt schwer verletzt in ein Krankenhaus. Besuch erhält sie nur ein einziges Mal von ihrer Mutter. Da sich sonst niemand kümmert, nimmt der Fahrer der Kutsche, ein italienischer Eisverkäufer, Malka gegen den Widerstand seiner Frau und Familie zu sich. Im Laufe der Zeit lernt Malka alles über die Eisherstellung und den Verkauf. Über den Verbleib ihrer eigenen Familie weiß sie nichts, nachdem sie auch die letzte ihrer Schwestern aus den Augen verloren hat. So setzt Malka alles daran, ein vollwertiges Mitglied der Familie Donelli zu werden. Doch nach dem Tod des alten Ehepaares sind die Erben nicht mehr bereit, Malka als gleichrangig zu behandeln. Als Malka, die seit dem Unfall ein missgebildetes Bein hat, allen Erwartungen zum Trotz den sehr attraktiven Albert Dunkle heiratet, setzen sie sie vor die Tür.
Nach all den Jahren muss Malka, die sich inzwischen Lilian nennt, wieder mit Hunger und Entbehrungen kämpfen. Doch irgendwann haben Bert und sie gerade genug Geld für einen Lieferwagen, mit dem sie Eis verkaufen wollen. Durch Zufall kommt ihnen die Idee für eine neue Herstellungsmethode. So bauen sie nach und nach ein Eisimperium auf. Doch die Unsicherheit, die Lilian als Kind erlebt hat, verlässt sie ihr Leben lang nicht. Sie ist zutiefst misstrauisch und wird im Laufe der Jahre ein immer unangenehmerer Mensch, der auch vor übelsten Intrigen nicht zurückschreckt...

Susan Jane Gilman zeichnet das Leben einer Frau nach, die als kleines Mädchen 1913 nach New York kommt und das Schicksal vieler Einwanderer erdulden muss. Doch mit List, Cleverness und einer gehörigen Portion Glück gelingt es ihr vordergründig, den amerikanischen Traum zu leben. Immer wieder kommt es zu Existenz bedrohenden Krisen, sei es durch Kriege, Inflation, die Kommunistenhetze oder persönliche Probleme. Doch so wie in Amerika Menschen geliebt werden, die es von unten nach ganz oben geschafft haben, können diese Menschen dann auch schnell wieder abstürzen.

Der Roman wechselt zwischen zwei Erzählstilen. Zum einen schildert er die Geschichte von Malka, später Lilian, chronologisch. Zum anderen spricht die betagte Lilian Dunkle den Leser bzw. eine Gruppe von Zuhörern direkt an. Diese Sätze werden mit wiederholten "meine Schätzchen" und "Verklagt mich doch" eingeleitet bzw. unterbrochen. Auf Dauer empfand ich diese Wiederholungen etwas störend. Die Person Malka bzw. Lilian Dunkle wird im Laufe des Romans immer weniger liebenswert. Zu Beginn musste man Mitleid mit dem kleinen Mädchen empfinden und auch ihre Pfiffigkeit bewundern, doch später wurde Lilian immer unsympathischer. Allerdings darf man dabei nicht vergessen, in welcher Zeit sie sich auch als Unternehmerin durchbeißen musste. Frauen hatten so gut wie keine Rechte, weder privat noch im Beruf. Obwohl sie die unternehmerische Kraft in der Ehe mit Albert Dunkle war, stand sein Name offiziell für den Erfolg. Sie war nur die Ehefrau. Das muss man sicher berücksichtigen, wenn man über die Protagonistin urteilt.

Insgesamt ist der Autorin ein lesenswerter Roman gelungen, der nebenbei ein Stück amerikanische Geschichte vermittelt.