Die Geschichte der Eiscreme in Amerika

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annajo Avatar

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New York, 1913: Malka Treynovsky ist russische Jüdin. Gemeinsam mit ihrer Familie bestehend aus Mutter, Vater und drei Schwestern, flieht sie vor den Pogromen in Russland. Statt in Südafrika, wie geplant, landet die Familie in der Orchard Street, mitten im jüdischen Viertel New Yorks. Damit die Familie genügend zu essen hat, müssen sogar die Jüngsten arbeiten. Nach einem Unfall lernt Malka den italienischen Eismann Dinello kennen, von dem sie die Geheimnisse der Eisherstellung lernt. Siebzig Jahre später kennt ganz Amerika Malka als "Die Eiskönigin", das mondäne Oberhaupt einer Eiscreme-Dynastie.

Über 70 Jahre hinweg verfolgt der Leser, wie Malka lernt, zurechtzukommen und sich durchzusetzen. Malka muss viel Härte entwickeln, denn es wird ihr nichts geschenkt. Die Zeitperspektive wechselt immer mal wieder zwischen den 1980er Jahren und früheren Zeiten, die relevante Lebensabschnitte für Malka darstellen. In den 1980ern ist der Glanz der Eiskönigin verblasst und sie steht vor Gericht; die Vorwürfe werden nach und nach aufgedeckt. In den Rückblicken entsteht das Imperium erst langsam und der Leser hat an dessen Entstehungsgeschichte teil. Dabei gönnt man es Malka, endlich erfolgreich zu sein, wenn man ihre Kindheit geschildert bekommt. Leider zeigen sich zunehmend recht skrupellose Züge, die zwar irgendwie gerechtfertigt werden, die Protagonistin für mich aber unsympathisch gemacht haben. Deutlich wird, dass Malka eigentlich immer auf der Suche nach Liebe war, sich aber auch mit Respekt und Bewunderung (vielleicht auch Angst vor ihr) zufriedengibt. Berührt haben mich vor allem die Szenen, in denen diese Suche enttäuscht wird, aber auch die wiederholten Szenen, in denen die Rolle der Frau zu Malkas Zeiten deutlich wird. Denn obwohl ich Malka als die treibende Kraft und eigentliche Gründerin des Eis-Imperiums gesehen habe, gilt sie ein Leben lang höchstens als Assistentin ihres Mannes und wird selbst von ihrem Sohn als solche behandelt.
Neben Malkas Lebensgeschichte und dem Schicksal von Einwanderern spielt die Geschichte der Eiscreme in Amerika eine zentrale Rolle in diesem Buch. Diese Passagen waren sehr aufschlussreich und wirklich interessant, sodass dieser (historische) Romane neue Aspekte liefern konnte. Auch werden die jeweiligen historischen Ereignisse wie beispielsweise Weltkriege und der Kalte Krieg sehr gut in die Handlung eingebunden und deren Auswirkungen verdeutlicht.

Insgesamt war dieser Roman aufschlussreich, interessant, authentisch und durchweg spannend. Die jeweilige Atmosphäre konnte sehr gut vermittelt werden. Kleinere Abzüge gebe ich jedoch für die leider etwas skrupellose Seite der Protagonistin und für den schnodderigen Erzählstil, den ich zunächst erfrischend, auf Dauer jedoch etwas anstrengend fand, vor allem, weil sich bestimmte Formulierungen über Gebühr wiederholten (z.B. "Verklagt mich doch, aber ...").