Carola Neher - ganz großes Theater

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lynas_lesezeit Avatar

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"Die Königin von Berlin" von Charlotte Roth ist wirklich ganz großes Theater.

Schon das Cover ist ein echter Blickfang und fängt sehr gut die Persönlichkeit von Carola Neher ein. Was mir an der Gestaltung des Romans besonders gefallen hat, ist die Idee mit einem "Grußwort Ihres Abendspielleiters" zu beginnen und dem ganzen Roman Züge eines Theaterstücks zu geben. Denn das ist der Roman: ganz großes Theater. Und auch Carola Neher lebte allein dafür, so dass ein Roman, der sie würdigen soll, in Gestalt eines Theaterstücks einfach perfekt passt. Zudem zieht dieser tolle, packende Start den Leser gleich in den Bann der Geschichte. Das ist ausgesprochen gut gelungen.

Bei der folgenden Erzählung wird das Leben von Carola in mehrere Akte geteilt. Durch die längst vergangene Handlung führen die Nachforschungen von Georg Becker, die er bei der Bibliothekarin Annette Dengler vertiefen will. Und so erfährt der "Zuschauer" nach und nach zusammen mit den beiden immer mehr über Carola als Persönlichkeit und wichtige Stationen ihres Lebens. Dabei ist der Schreibstil sehr unterhaltsam und witzig, spannend und mitreißend. Mit jeder Seite wurde es schwerer das Buch aus der Hand zu legen. Die Rahmenhandlung rund um Georg und Annette hätte es dennoch nicht gebraucht, denn die Spannung ging allein von Carola Neher und ihrem Leben aus. Mit Auftauchen der beiden wurde der Spannungsbogen unterbrochen, so dass ich in Versuchung war diese Episoden zu überblättern und direkt wieder in das Leben von Carola einzutauchen.

Carola Neher hat eine faszinierende Energie und Zielstrebigkeit. Ihr ganzes Handeln und Sinnen ist darauf gerichtet eine erfolgreiche Schauspielerin zu sein. Nur kann sie sich ihrer vielen Rollen auch im privaten nicht entledigen und findet nicht so recht Zugang zu den Menschen in ihrem Leben. Und so fragt sie sich: "Bei mir funktioniert vielleicht etwas nicht so wie bei anderen Menschen. Was soll ich dagegen machen?"

Dennoch gibt es zwei Männer, die eine große Rolle für sie spielen: Bertolt Brecht und Alfred Henschke.

Bertolt Brecht sieht in ihr eine Seelenverwandte, seine Zwillingsschwester, die auch ausschließlich für das Theater lebt. Und so verfolgt er über Jahre das Ziel mit ihr den Erfolg seines und ihres Lebens zu erreichen. In ihr Herz stiehlt sich dennoch ganz allmählich der eher erfolglose Alfred Henschke. Ihr Fredi, der sie sanft und bedingungslos liebt und ihr damit zeigt, was ihr von klein auf gefehlt hat. Die zarte Liebesgeschichte zwischen den beiden ist rührend.

Neben all dem Glanz der Theaterwelt, werden auch zeitgeschichtliche Hintergründe aufgegriffen. Es ist interessant und schockierend, den langsamen Aufstieg Hitlers aufgrund von Missständen wie schwindendem Geldwert und Arbeitslosigkeit zu sehen. Ein deutlicher Schwerpunkt liegt jedoch auch dem Künstler- und Theaterleben der goldenen Zwanziger in Berlin.

Für "Die Königin von Berlin" von Charlotte Roth kann ich eine begeisterte Leseempfehlung aussprechen. Es war faszinierend auf solch unterhaltsame Weise etwas über eine reale Persönlichkeit zu erfahren.