Ein literarisches Denkmal

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eliza2010 Avatar

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„Sie schien vor Leben zu bersten.“ (Seite 155), ich finde dieses Zitat beschreibt Carola, eigentlich Karoline Neher am Besten, denn diese Frau war eine Getriebene, eine immer Suchende, eine Rastlose.
Charlotte Roth hat mit ihrem neusten Roman, der mir bis dato unbekannten Carola Neher ein Denkmal gesetzt.
Das Cover finde ich wunderschön, ein wahrer Eye-Catcher. Carola sitzt mit einem Leoparden auf einer Bank, man muss dieses Cover einfach genau betrachten, man kann gar nicht anders. Der Klappentext macht Lust auf mehr, auch wenn er schon sehr viel verrät.
Das Leben der Künstlerin Carola Neher steht zweifelslos im Mittelpunkt dieses Romans. Hauptschauplätze sind Baden-Baden, Berlin und München zur Zeit der zwanziger Jahre, die goldenen Zwanziger, die so voller Leben und Abendteuer sind.
Der Roman hat einen interessanten und aufwändigen Aufbau, er erinnert an ein Theaterstück, da er in Akte aufgeteilt ist und sich zwischendrin immer mal wieder der Vorhang hebt (auch wenn Bertolt Brecht keine Vorhänge mochte). Insgesamt spielt der Roman auf zwei Zeitebenen, einmal wie bereits erwähnt 1920 und einmal Ende der siebziger Jahre. Die siebziger Jahre und die Recherche nach Carola rahmen sozusagen den Roman. Georg Becker interessiert sich für Carola Neher und reist zu ihren Wurzeln, zur Seite steht ihm die patente und kluge Bibliothekarin Annette Dengler. So wie Carola unbestritten eine einnehmende Hauptfigur ist, so ist für mich Annette meine liebste Nebenfigur.
Es geht um die ganz großen Brecht, Feuchtwanger und Klabund, Charlotte Roth haucht ihnen Leben ein und bringt sie so dem Leser näher. Immer wieder rücken Theater und Film in den Mittelpunkt, aber so ganz lassen sich die politischen Situationen (Inflation, Hitlerpusch) in der Theater- und Filmwelt nicht verdrängen. Charlotte Roth schildert das Geschehen aus verschiedenen Perspektiven und gibt uns somit einen tiefen Einblick in die Gefühls- und Gedankenwelt der Figuren.
Die Sprache ist opulent und die Autorin spielt mit den Wörtern und Redewendungen gleichermaßen. Ihre verschachtelten Sätze zeugen von einer ungeheuren Freude an der Sprache, mit sehr viel Lust streut sie längst vergessene Worte ein und zeigt die Vielfalt der deutschen Sprache.
Ein Roman nicht nur für Film- und Theaterfans, sondern auch für Leserinnen und Leser, die sich intensiv und dezidiert mit dieser Epoche auseinandersetzen möchten. Ein Roman der sowohl Männer, als auch Frauen für sich einnehmen wird und sie auf die Bretter, die die Welt bedeuten, entführen wird.
Ich bedanke mich bei vorablesen.de und dem Verlag Droemer Knaur für die Bereitstellung des Rezensions- und Leseexemplars.