Eine femme fatale der Goldenen Zwanziger in Berlin

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gormflath Avatar

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Karoline Neher träumt schon als Kind nur vom Theater spielen und kann ihr Leben als Tochter einer Gastwirtin und eines gewalttätigen Musikers in München nicht akzeptieren. Sie flüchtet aus der ungeliebten Banklehre und vor der Mutter und den Geschwistern ohne Geld mit ungewisser Zukunft nach Baden-Baden, mit dem einzigen Ziel, eine berühmte Schauspielerin zu werden. Jahrelang kämpft sie mit Statistenrollen ums Überleben, aber ihre Hoffnung gibt sie nicht auf, sondern nutzt jede noch so kleine Chance, die sich ihr bietet.
Als sie in Berlin ankommt, geht ihr Kampf weiter, bis sie niemand Geringerem als Bertolt Brecht begegnet. Der junge Stückeschreiber erkennt ihr Talent und verspricht ihr, sie zu etwas wirklich Großem zu formen. Carola, wie sie sich längst nennt, ergattert größere Rollen und genießt das Leben im Berlin der 1920er Jahre in vollen Zügen. Sie wird als eine der schillerndsten Schauspielerinnen der Weimarer Republik gefeiert, und überall, wo sie auftritt, jubeln ihr die Menschen zu und die Theater der Republik reißen sich um sie. Carola lebt ein Leben auf der Überholspur, sie durchtanzt die Nächte, verdreht einem berühmten Mann nach dem anderen den Kopf und gönnt sich niemals Ruhe. In ihrem Herzen bleibt sie allein, denn sie glaubt nicht an die Liebe – bis sie dem lungenkranken und sehr zurückhaltenden Dichter Klabund begegnet. Alfie, wie ihn Carola liebevoll nennt, ist selbst ein Getriebener, und aller gesundheitlichen und gesellschaftlichen Aspekte zum Trotz heiraten die beiden. Carola wird jedoch nicht zur braven Ehefrau, denn schon sehr bald lockt wieder das wilde Leben in Berlin mit vielen Künstlern. Sie führen eine turbulente Ehe mit häufigen Trennungen und vielen Affären Carolas, die Klabund klaglos hinnimmt – hat er doch die schönste und aufregendste Frau Berlins!
Als ihr Bertolt Brecht die Hauptrolle in der „Dreigroschenoper“ anbietet, der größten Chance und gleichzeitig größten Herausforderung ihres Lebens, verlässt sie den inzwischen todkranken Klabund, um bis an den Rande der Erschöpfung für „ihre“ Rolle zu proben.
Bestseller-Autorin Charlotte Roth hat einen aufregenden Roman über die Carola Neher geschrieben, die als Brechts erste Polly unsterblich wurde. Als Leserin gerät man in einen wahren Taumel der Goldenen Zwanziger, dem man sich nicht entziehen kann. Auch wenn Carolas Leben einzig die Bühne ist, wird sie nie als karrieresüchtige herzlose Diva geschildert, sondern trotz ihres Lebens als femme fatale und etlicher Liebesbeziehungen immer als eine Frau, die am Boden bleibt und einfach nur Theater spielen möchte.
Wenig bekannt ist über die letzten Jahre der Schauspielerin. Carola musste nach Hitlers Machtergreifung aus Berlin fliehen, weil sie als Mitglied einer kommunistischen Vereinigung galt – ausgerechnet sie, die sich nie die Zeit nahm, sich um Politik zu kümmern. In Moskau wurde sie als Spionin zu zehn Jahren Zwangsarbeit verurteilt, wo sie nach der Hälfte der Zeit verstarb.
Die Autorin schreibt gleich zu Beginn, dass es sich nicht um eine Biografie Carola Nehers handelt, sondern um einen Roman, da müssen natürlich Zugeständnisse gemacht werden, nicht alles wird sich genau so zugetragen haben, wie es geschildert wird. Ein großartiger Roman ist ihr gelungen, man möchte ihn kaum zur Seite legen und bedauert, dass neben den Goldenen Zwanzigern auch die Geschichte um die Schauspielerin Carola Neher ein Ende findet.