Wo andre gehen, da muss sie fliegen

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Wie hat Charlotte Roth das gemacht? Sie hat eine wundervolle Romanbiografie der Schauspielerin Carola Neher geschaffen -- aber doch noch viel mehr. Sie lässt das Theater im Berlin der 20er Jahre für uns erstehen, doch das nicht als bloße Kulisse, wir fühlen uns mittendrin, denn hier stimmt alles: Das Lebensgefühl, die Künstler, die Cafés, die Theater. Und wie ein Theaterstück baut Charlotte Roth ihren Roman auf, da gibt es ein Rahmenprogramm, ein Grußwort, ein Vorspiel und drei Akte und ganz schnell wird deutlich: SIE ist die Spielleiterin, sie hat alle Fäden in der Hand, sie zeichnet für Besetzung, Tonfall und Dramaturgie – und sie liebt alle ihre Mitspieler.

Aber der Reihe nach: Carola wächst in einem rheinland-pfälzischen Weinort auf, sie soll etwas Solides lernen, doch widersetzt sie sich dem elterlichen Wunsch. Sie will Sängerin, sie will Schauspielerin werden. Ohne grundlegende Ausbildung gelingt ihr über diverse Engagements in der Provinz schließlich der Sprung nach Berlin – und nicht nur das, sie arbeitet nun mit Bertolt Brecht und wird schnell zu seinem Liebling, auf der Bühne und privat.
Aber eine feste Bindung geht die junge, bildschöne Schauspielerin nicht mit ihm ein, denn er liebt viele Frauen. Brecht, schwankend zwischen Revolution und Tradition, nennt sie „Barbara“, will sie nach seinen Vorstellungen formen. Und er ist von sich und seinem Können überzeugt – weg will er von dem alten, überprononcierenden Sprechtheater, dafür braucht er junge, unverbrauchte Darsteller, die seine Texte und Kurt Weills Songs flott interpretieren können. Carolas schnoddrige, selbstbewusste Art gefällt ihm, der Hauch von Frechheit, Freiheit und Theaterluft umgibt sie, ja – sie ist die richtige, die Polly Peachum in seinem neuen Stück „Dreigroschenoper“.
Der Roman hat kräftig Fahrt aufgenommen, Frau Roth schreibt knapp und schnell und großartig, mein Herz fliegt ihr nur so zu - und gleichsam atemlos blättern sich die Seiten von alleine um. Wie geht es weiter mit dem Künstlergespann Neher/Brecht? Und welche Rolle spielt der Dichter Klabund? Und die Premiere? Und der Barbarasong?

Alle diese Fragen finden ihre Antwort in dem wunderbaren Roman „Die Königin von Berlin“, den ich ganz unbedingt empfehlen möchte - und das keineswegs nur Berlin- und Theaterinteressierten.
Und wer – so wie ich – dann ganz verzaubert ist und noch mehr erfahren möchte, der wird über die Schauspielerin viele Berichte, Filme, Fotos im Internet finden.
Carola Neher – wir haben von ihr gehört, wir werden sie nicht vergessen.