Die Große und die Kleine Welt

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corsicana Avatar

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Castellamare ist eine (fiktive) Insel vor der sizilianischen Küste. Die recht wenigen Einwohner leben von dem, was die karge Insel hergibt an Landwirtschaft und Viehzucht und vom Fischfang. Dies ist die Kleine Welt.

In diese Welt reist Anfang des letzten Jahrhunderts ein Arzt aus Florenz, der nirgendwo anders eine Anstellung finden konnte. Er ist ein Findelkind und sein Pflegevater ist verstorben und er fühlt sich heimatlos. Am Tag seiner Ankunft wird das Fest der Heiligen Agatha gefeiert, das wichtigste Fest auf der Insel. Und der Arzt lernt sofort die Menschen von der Insel kennen und er wird auf der Insel seine Heimat finden und eine Familie gründen.
Die Geschichte dieser Familie wird über einen langen Zeitraum erzählt werden, bis in 21 Jahrhundert hinein.

Die Große Welt, das ist die Welt außerhalb der Insel. Mit zwei Weltkriegen, Wirtschaftskrisen und neuen technischen Entwicklungen und letztendlich dem Tourismus, der auch diese Insel erreichen wird. Und auch wenn die Insel sehr abgelegen liegt und lange Zeit wenig technische Errungenschaften dorthin gelangen, so hat die große Welt doch großen Einfluss auf das Geschehen auf der Insel.

Der Autorin gelingt es in diesem Roman perfekt, die Geschichte der Familie mit Geschichten und Sagen von der Insel und mit der Weltgeschichte zu verbinden. Tief eingetaucht bin ich in die Geschichten von Castellamare. In Liebesgeschichten, Familienfehden, Existenzbedrohungen - viele schöne und traurige Geschichten werden erzählt. Und auch wenn eine Insel immer das Bild einer idealen Welt heraufbeschwört, so ist das Leben auf einer Insel doch nicht eitel Sonnenschein. Es gibt zwar notgedrungen eine Solidargemeinschaft - aber auch viel Streit, viel Neid, viel Tratsch. Dies wird in diesem Buch realitätsnah und schön erzählt.

Die Sprache der Autorin ist gut lesbar, bildhaft und poetisch. Und die Geschichten haben die richtige Mischung aus Magie, Tragik, skurrilen Protagonisten, Menschlichkeit und Liebe um ein lebensechtes Bild für den Leser entstehen zu lassen und die Geschichte nicht in den Kitsch abgleiten zu lassen.
Die Charaktere sind immer interessant, teilweise sperrig, teilweise schwierig, oft liebevoll und vor allem sehr gut beschrieben. Alle Personen werden dem Leser nicht ans Herz wachsen - aber viele. Und die "Hauptperson" ist eine Bar auf der Insel "Das Haus am Rande der Nacht", dies ist der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte. Und ich habe mich oft auf die Terrasse der Bar geträumt.

Dieses Buch war ein großes Lese-Vergnügen für mich, für das ich erstaunlicherweise recht lange gebraucht habe. Dies lag sicher nicht daran, dass mir das Buch nicht gefallen hat. Sondern wohl eher daran, dass die Geschichten so viel Inhalt hatten und ich vieles nachfühlen wollte. Und ich mir die Zeit des Lesens verlängern wollte. Jetzt ist das Buch ausgelesen - und ich bin wehmütig.

Ich wünsche diesem Buch viele viele Leser.