Philosophisch und skurril

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scarletta Avatar

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Jim Byrd, der Ich-Erzähler in “Die Leben Danach”, ist ein 33jähriger Kreditberater bei einer Bank in einer kleinen Stadt in North Carolina. Seine Existenz steht schon gleich zu Beginn des Buches an der Schwelle, denn er erleidet einen Herzstillstand, während dem er für einige Minuten klinisch tot ist.
Nachdem er wiederbelebt wurde, fehlt ihm jegliche Erinnerung an „die andere Seite“ jenseits des Lebens: „Kein Licht, keine Tunnel, keine Engel“. Er fragt seine Ärzte, ob dies ein schlechtes Zeichen wäre. Diese rollen mit den Augen und statten sein Herz mit einem High-tech Defibrillator namens HeartNet aus. Dessen begleitende Smartphone-App wird nun klingeln, wann immer das Gerät Jims Herz mal wieder in Gang bringen muss. Dann schicken sie Jim heim nach Shula, N.C.

Kein Wunder, dass sich Jim erst einmal wieder in sein altes Leben hinein finden muss. Erneut verliert er sein Herz, aber auf andere Weise, als er Annie, seine alte High-School-Liebe trifft. Sie ist gerade erst mit ihrer 12jährigen Tochter nach Shula zurückgekehrt, nachdem sie seit ein paar Jahren verwitwet ist. In ihrer Liebesgeschichte ist aber stets irgendwie Annies verunglückter Mann in Gedanken gegenwärtig. So ist es auch der Wunsch den Tod zu verstehen, was Jim und Annie verbindet.
Ganz allmählich schleichen sich immer mehr futuristische, skurrile, phantasievoll überschäumende Elemente in das Geschehen ein, manchmal auch mit satirischem Unterton. Die Technologie in Jims Umfeld ändert sich rapide, so übernehmen z.B. im Lauf der Zeit Hologramme Jobs im Kundenservice.

Als Leute um ihn, wie z.B. sein eigener Vater, anfangen, an bestimmten Orten Geister wahrzunehmen, muss Jim unbedingt die Wahrheit wissen. Denn sein „Beinahe-Tod“ hat ihn für Übernatürliches sensibilisiert. Diese Geisterwahrnehmungen kreisen immer wieder um ein gewisses Haus…
Erst verfolgt Jim Publikationen der Naturwissenschaftlerin Sally Zinker, die sich mit der Existenz an sich beschäftigt, dann versucht er sie selber zu finden. Zinker meint , dass das Universum nur zu 93 Prozent existiere.

In regelmäßigen Abständen unterbricht der Autor die Geschichte, um von Clara Lennox, einer früheren Einwohnerin von Shula zu berichten, deren Schicksal vor vielen Jahrzehnten mit einem speziellen, mysteriösen Haus verbunden war. Die Tragödie ihres Lebens wird dabei sehr präsent.

Manchmal überlegt nicht nur Jim, sondern auch der/die Lesende, ob man sich nicht gerade in einem wirren Traum aus Jims Nachleben befindet.

Fazit
Das Buch bemüht sich, auf ganz andere Art, sich mit philosophischen Fragen und dem Leben nach dem Tod zu befassen. Der Autor bewegt grundsätzliche Fragen im Leben eines Menschen: den Umgang mit Verlust eines geliebten Menschen, mit der Natur der Zeit und der Vergänglichkeit, dem Verhältnis in einer Beziehung. So ringt Jim darum, ein guter Ehemann und Stiefvater zu sein.
Das waren interessante Aspekte, allerdings nervten mich zusehends die skurrilen Ideen und ich hatte das Gefühl, der Autor verzettelte sich.

Mir gefiel das feine Auge des Autors für emotionale Details in Jims Beziehungen, z.B. im Verhältnis von Jim und seinem Vater oder in der Beziehung zu Annie, in der Jim nicht die Eifersucht auf deren verstorbenen ersten Mann auszudrücken vermag.