Ein großartiges Buch - eine überwältigende Lebensbeschreibung

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Auch wenn ich Bücher mit mehr als 600 Seiten nicht so mag, hier hätte ich gerne noch weiterlesen wollen. Alexander Osang schildert das pralle Leben der Jelena Silber, das geprägt ist von deutscher und russischer Geschichte, von vielen Wendungen, Enttäuschungen und Neuanfängen, man kann sich ihm nicht entziehen. Auch wenn man ihr Handeln nicht immer verstehen kann, begreift man doch ihre Beweggründe, die ihrem Handeln zugrunde liegen.

Mit 2 Jahren bereits muß Jelena mit ihrer Mutter und ihrem Bruder Pawel aus ihrer russischen Heimat fliehen, nachdem ihr Vater als Revolutionär ermordet wurde und sie fürchten müssen, das gleiche Schicksal zu erleiden.

Viele Jahre später kehrt Jelena mit ihrer Mutter und dem Stiefvater in ihr Heimatdorf zurück. Was mochte die Mutter bewogen haben, diesen Mann zu heiraten, der sich an Jelena vergeht, so daß sie sich genötigt sieht, sich allein in eine neue Zukunft zu begeben. Sie lernt den deutschen Ingenieur Robert Silber kennen, heiratet ihn und geht mit ihm nach Deutschland. Ihre Schwiegermutter demütigt Jelena, wo sie nur kann und der Schwiegervater hält sie für Freiwild.

Kaum der deutschen Sprache mächtig, hat Jelena es mehr als schwer, mit ihrem Leben zurechtzukommen. Sie hat 5 Töchter, von denen Anna mit 2 Jahren an Diphterie stirbt. Es ist Krieg und Medikamente sind knapp. Die anderen 4 Töchter Maria, Lara, Vera und Katarina sind traumatisiert von dem wechselhaften Leben, dem sie ausgesetzt sind und dem Lebensweg, den sie nach Jelenas Vorgaben zu gehen haben. Jede lebt ihr eigenes Leben. Es gibt
keinen Familienzusammenhalt.

Viel später versucht Jelenas Enkel Konstantin die Familiengeschichte aufzuschlüsseln und zu verstehen, was das lange Leben seiner Baba ausgemacht hat. Sie hat für sich eine eigene Wahrheit erfunden, aber war alles wirklich so, wie sie immer erzählt hat? Sehr emotional zu lesen ist die Beziehung von Konstantin zu seinem Vater Claus Stein, der mit Jelenas Tochter Maria verheiratet ist, die ihn wegen seiner fortschreitenden Demenz in einem Heim unterbringt.

Ich finde, Alexander Osang hat ein großartiges Familienepos geschaffen mit so unterschiedlichen Figuren, auf die man sich einlassen muß, um sie zu verstehen. Ich liebe Familiengeschichten, aber diese finde ich besonders großartig, schon deshalb, weil sie über mehr als ein geschichtsträchtiges Jahrhundert andauert. Und nach dem Enkel Konstantin folgt noch der Urenkel Theo. Die Geschichte geht also weiter.