Intensiver Abgesang

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wienerin Avatar

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Was ist der Grund dafür, dass ein Mensch zum Terroristen wird? Ist es ein Gefühl moralischer Überlegenheit, genährt durch die Überzeugung, dass das was man tut, zum Wohl der Menschheit getan werden muss? Eine Überzeugung, die so mächtig ist, dass man bereit ist, dafür alles, seine Familie, seine Freunde, sein ganzes Leben hinter sich zu lassen und quasi zu opfern?
Das ist zumindest der Eindruck den ich beim Lesen dieses Buches gewonnen habe.
Andre Georgi beschreibt hier die Geschichte der "letzten Terroristin“, Sandra Wellmann, zeichnet ihren Weg vom Teenager mit linken Idealen und dem Traum von einer Weltrevolution in das Zentrum der RAF nach bis zum Grande Finale, den zwei Anschlägen auf hochrangige Funktionäre des gerade wiedervereinten Deutschlands und der darauffolgenden Hetzjagd durch das BKA.
Das Buch beginnt furios mit dem ersten Anschlag, quasi in Echtzeit wird beschrieben, wie das BKA (erfolglos) versucht, diesen zu verhindern.
Die Fahndungsarbeit der Polizei einerseits, der nächste Anschlagplan der Terroristen andererseits wechseln einander kapitelweise ab.
Und dann ist da noch die Realität, die hässliche Seite des Kapitalismus, wo Gewinnmaximierung die Rechtfertigung für alles zu sein scheint.
Am Ende ist mehr zerstört, als "nur" das Leben der Anschlagopfer.

Das in seiner Klarheit und Einfachheit schönes Cover passt perfekt zu dem Buch. Der Schreibstil des Autors ist klar und flüssig, spannend und mehr als einmal berührend. Meiner Meinung nach auch als Klassenlektüre in einer Abiturklasse jedenfalls zu empfehlen.

Ein intensives Buch, das mich sehr berührt hat und bei dem ich mich plötzlich dabei ertappt habe, wie meine Abscheu gegen das hier beschriebene Establishment im selben Ausmaß gewachsen ist wie meine Sympathie für die "letzte Terroristin", die am Ende nach Verbüßung ihrer Freiheitsstrafe alles verloren hat, Mutter, Schwester, Mann, Kind und letztendlich auch die Frau, die sie eigentlich sein wollte.