Spannender Psychothriller zwischen RAF und Treuhand

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evaczyk Avatar

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Mit dem Politthriller „die letzte Terroristin hat André Georgi einen spannenden Politthriller geschrieben, der gleichermaßen Erinnerungen an den blutigen „deutschen Herbst“ und die Zeit nach dem Zusammenbruch der DDR geschrieben.

Wie weit würdest Du für Deine Überzeugungen gehen, welchen Preis für Deine Ideale bezahlen? Das ist die Frage, die sich die Hauptfigur des Psychothrillers "Die letzte Terroristin" stellen muss - und die Antwort findet sie letztlich viel zu spät. Schon der Start des Buches ist rasant: Ein Kommando der letzten Generation der RAF arbeitet sich durch seine Kill-Liste, ein unter Druck geratener Ermittler des Bundeskriminalamts soll weitere Anschläge verhindern. Greift das seit Jahren gepflegte Programm der V-Männer, hat er es geschafft, den streng abgeschotteten Kreis der RAF-Unterstützerszene zu durchbrechen und einen Kontaktmann einzuschleusen? Kurz kommt Hoffnung auf, den Terroristen doch noch voraus zu sein, bis ein neues Attentat das BKA nur weiter unter Druck setzt.

Es gibt viele Grautöne in diesem Buch, kein reines Schwarz-Weiß-Schema. Terroristen wie Polizisten sind Jäger und Gejagte zugleich, denn das BKA steht unter dem Druck von Öffentlichkeit und Politik. Was macht dieser Druck mit den Beamten, was macht das jahrelange Versteckspiel, das Leben in der Anonymität, mit den in den Untergrund gegangenen RAF-Mitgliedern?

Seit den 70-er Jahren sind zwei neue RAF-Generationen in den politischen Kampf gegangen, nunmehr nicht aus der Stadtguerilla und beflügelt vom revolutionärem Kampf in Lateinamerika oder Afrika, sondern geschult von Stasi-Ausbildern, die lange ihre eigene Agenda verfolgt haben, nun aber im wiedervereinigten Deutschland vor allem auch an die eigene Zukunft denken müssen. Da werfen die Terroristen, die einst im Ausbildungslager so sorgfältig mit Nato-Waffen geschult werden, einen langen und ungewollten Schatten.

Die RAF-Teams, die jedes Zaudern als Verrat ansehen und alle Brücken hinter sich verbrannt haben, glauben sich wiederum an einem historischen Wendepunkt: Im Osten Deutschlands brodelt es, Zehntausende fürchten um ihre Arbeitsplätze, ihre ganze Existenz, während die einstigen volkseigenen Betriebe abgewickelt werden.

Manchem Investor geht es nicht um „blühende Landschaften“ in Bitterfeld und anderswo, sondern darum, potenzielle Konkurrenz von Anfang an zu zerschlagen. Kein Aufbau Ost, sondern brutales Ausschlachten und Kleinhalten. Ist das der Moment, wo sich die RAF mit Anschlägen auf verhasste Manager an die Spitze einer Volksrevolte stellen könnte?

Immer wieder wechselt Georgi in seinem Thriller die Erzählperspektive, schildert die Sicht der RAF-Leute und der Ermittler, zeigt auch den Preis, den sie in diesem jahrelangen, erbitterten Kampf führen. Privatleben ist ein Luxus, das sich die BKA-Ermittler nicht mehr leisten können, die Terroristen haben das mit der Entscheidung für den Untergrund ohnehin für sich verabschiedet.

Doch was ist mit den Familien, die zurück bleiben und aus allen Wolken fallen, wenn ein Familienmitglied, jemand mit dem gleichen Nachnamen, plötzlich mit dem Fahndungsaufruf des BKA landesweit auf den Bildschirmen erscheint? Wenn Nachbarn, Kollegen, Mitschüler die Angehörigen in Kollektivverantwortung nehmen und sie letztlich den Preis zahlen müssen. Aber auch für die Familien der Anschlagsopfer, zeigt Georgi mit einem Blick in deren Zukunft, ist nichts mehr so, wie es einmal war. Eine Kugel oder eine Bombe kann gleich mehrere Menschenleben zerstören.

Spannend wäre «Die letzte Terroristin» schon allein wegen des Katz und Maus-Spiels – Die Ermittler jagen die Terroristen, die wiederum ihren letzten Anschlag umsetzen wollen. Doch daneben geht es eben auch um die Jagd in den Köpfen der Beteiligten, die immer mehr zu Getriebenen werden. Druck und Angst, Zweifel und Hoffnung, Besessenheit und Enttäuschungen – als Sieger kann sich hier keiner fühlen. Das Klima von Verdächtigungen und Misstrauen, Skrupeln und Berechnungen wird eindrücklich gezeichnet. Eine beklemmende und intensive Lektüre.