Ach, ist das traurig!

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tänja_radi Avatar

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Der Klappentext von "die Liebe im Ernstfall" liest sich für mich sehr interessant. Frauen zwischen Freiheit und Zwang, "die das Leben aus dem Vollen schöpfen." Auch der Schreibstil der Autorin gefällt mir. Er ist direkt und schnörkellos. Ich finde das Buch auch gut aufgebaut. Die fünf Ausschnitte aus dem Leben der Frauen sind gut miteinander verknüpft.

Aber inhaltlich ist das Buch fürchterlich. "Aus dem Vollen schöpfen" klingt für mich nach Glück. Aber dieses Buch ist einfach nur traurig. Ich hatte mit Schicksalsschlägen gerechnet. Aber auch mit Frauen, die sich heraus kämpfen. Die ihr Leben in die Hand nehmen und etwas daraus machen. Diese Protagonistinnen sind absolut passiv und scheinen über keinerlei Selbstwirksamkeit zu verfügen. Ihr ganzes Glück scheint abhängig von Männern zu sein. Entweder gibt es aber keine, die ihnen gewachsen sind oder die Männer wollen die Frauen nicht mehr. So etwas unemanzipiertes habe ich schon lange nicht mehr gelesen. Diese Hilflosigkeit ist unerträglich. Die Protagonistinnen sind unreflektiert und bemerken ihre Abhängigkeit von Männern nicht einmal. Ich fragte mich oft, ist das noch Liebe oder nur noch ernst? War der Klappentext vielleicht ironisch gemeint? Dann habe ich ihn auf jeden Fall nicht verstanden.
Die Schuld des Unglücks wird den Kindern zu getragen. Egal ob diese gesund und selbstbewusst aufwachsen, sterben oder gar nicht vorhanden sind. Kinder scheinen für die Autorin das größte Unglück auf der Welt zu sein. Hoffentlich lesen ihre eigenen Kinder dieses Buch niemals.
Natürlich halten die Frauen sich auch selbst für Versagerinnen, können aber nichts dagegen tun. Vermeintliche Freundinnen helfen auch nicht. Ignorant rennen die Frauen weiterhin ihrem Unglück nach. Das hat mit "Liebe im Ernstfall" nichts mehr zu tun. Darunter verstehen ich das echte Leben mit Höhen und Tiefen fern von Hollywood-Romantik, keine verzweifelte Abhängigkeit geliebt zu werden. Es sollten Kompromisse eingegangen werden, weil man liebt und weil es ein Geben und Nehmen ist. Nicht wie hier aus Perspektivlosigkeit.

Laut der Autorin spielt die Tatsache, dass die Frauen den Mauerfall erlebt haben, eine große Rolle. Komischerweise wird die Herkunft der Frauen in den ersten drei Geschichten aber gar nicht erwähnt. Ein- oder zweimal fällt in einem Nebensatz die Aussage, dass es da einen Unterschied gibt. Leider wird der nicht erläutert. Ich hoffe nicht, dass alle Frauen, die die Wende erlebt haben, in Kriens Augen so unemanzipiert und männerabhängig sind. Ich bin zehn Jahre jünger als die Autorin und für mich spielt Ost oder West keine Rolle mehr. Der Roman hat mir wieder einmal gezeigt, dass es da auch keine Unterschiede gibt. Der existiert vielleicht nur in den Köpfen mancher Menschen.

Schade, dass Krien ihr Talent zu Schreiben nicht besser nutzt. Ich kann das Buch nicht empfehlen. Frau sein heute ist für mich wirklich von Zwang und Freiheit geprägt. Das Thema hat so viel zu bieten. Warum es so umgesetzt wurde, verstehe ich nicht und ich mag es auch nicht.