Liebe, Hoffnungen und Enttäuschungen

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elke seifried Avatar

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„Als Kinder und Jugendliche erlebten sie den Fall der Mauer, und wo vorher Grenzen und Beschränkungen waren, ist nun die Freiheit. Doch Freiheit, müssen sie erkennen, ist nur eine andere Form von Zwang: der Zwang zu wählen.“ Ehrlich gesagt hatte ich mir bei diesem Klappentext eher einen Roman, der die DDR Zeit näher beleuchtet, erwartet. Einstellungen, die der Sozialismus und die zwei getrennten Hälften Deutschlands geprägt haben, kommen zwar hauptsächlich in der letzten Geschichte zur Sprache, mehr jedoch nicht. Es geht eher um Liebe, um enttäuschte Gefühle und auch um die Rolle als Mutter und deren Beziehung zum Kind und davon berichten nacheinander fünf Frauen.

Die Autorin erzählt nach und nach in fünf Kapiteln die Geschichten von Paula, Judith, Brida, Malika und Jorinde. Fünf verschiedene Frauen, die unterschiedlicher nicht sein können, die jedoch alle irgendwie miteinander verbunden sind und denen gemein ist, dass sie in meinen Augen unglücklich lieben. Zudem demonstrieren alle, welche Rolle Kinder spielen können und wie schwer und schwierig eine Eltern Kind Beziehung sein kann. Kinder, die von Geburt an tagelang zu Großeltern und in die Kita abgeschoben, ja vernachlässigt und demotiviert werden, ein plötzlicher Kindstod nach einer Impfung, was Schuldzuweisungen verursacht, eine Frau, die vergeblich auf ein Kind hofft, eine andere die auch bei der dritten Schwangerschaft Abtreibung als einzige Lösung ansieht, und auch eine, die überlegt ihr Kind direkt nach der Geburt abzugeben, sind hier vertreten. Man erfährt bei allen durch Rückblenden, die die Schilderung ihrer jetzigen Lebenssituation unterbrechen, nach und nach, wie sie ihren Partner/ ihre Partner ausgewählt und kennenglernt haben, welche Entwicklung die Beziehung genommen hat, wie das Thema Kinder ihr Leben bzw. die Beziehung verändert hat und auch warum und wie die Beziehung in die Brüche gegangen ist. Man darf hier so z.B. erleben, wie Frauen der Mann ausgespannt wird, was Frauen als Geliebte alles auf sich nehmen, welche Macken Männer aus Datingportalen aufweisen können und wie Frauen von Männern verlassen werden. Auch aus Sicht von Kindern wird das Verhältnis zu Eltern beleuchtet, was mich mit am meisten berührt hat. Wie muss sich ein Kind fühlen, wenn die Mutter bereut sich für Kinder entschieden zu haben?

Der Sprachstil liest sich locker, leicht, flüssig und angenehm. Daher sind die fünf Lebensgeschichten recht schnell verschlungen. Es geht meiner Meinung nach nicht extrem empathisch zu, zumindest nicht so sehr, als dass man hier Gefühlsachterbahn fahren könnte. Aber vielleicht genügen auch je gut fünfzig Seiten auch einfach nicht für mich um intensivere Beziehungen zu den Protagonisten aufbauen zu können. Ich konnte jedoch durchaus nachvollziehen, was die Frauen empfunden haben, konnte mich gut in sie hineindenken. Dafür sorgen präzise Beschreibungen, wie „das Warten ist schlimm. Selbst einen Mann, den sie nicht will, will sie spätestens dann, wenn er sie warten lässt.“, “Erst als Paula anrief, um ihr von Wenzel zu erzählen, wurde Judith wieder einmal bewusst, wie schwer das Alleinsein war.“, oder „…die Trennung lediglich als eine Zustandsänderung ihrer Beziehung empfunden. Zwar lebten Götz und sie nicht mehr zusammen und teilten keinen Alltag mehr, aber sie schliefen noch miteinander.“ Meiner Meinung spielt die Autorin auch je nach Geschichte ein wenig mit Nähe und Distanz, sodass es zum jeweiligen Charakter der Frau passt. Das hat mir gut gefallen.

Durchaus berührt hat mich Paulas Geschichte. Sie steckt stets zurück, ist gemeinsam einsam und muss einen schweren Schicksalsschlag verkraften. Judith, die gut situierte Ärztin, in deren Leben wohl nur manchmal ein Mann Platz hätte, konnte mich nicht so sehr bewegen, ebenso wenig auch Brida, die Schriftstellerin, die stets das will, was sie im Moment nicht haben kann, sich aber insgeheim doch Gewissheit darüber erhofft, wo sie hingehört. Mit Malika, die ihr Leben lang schon grausam im Schatten ihrer Schwester steht, habe ich hingegen wieder mehr mitgefühlt wie auch mit ihrer Schwester Jorinde, bei der längst auch nicht alles Gold ist was glänzt.

Alles in allem habe ich beim Lesen keine Längen empfunden, ich habe die Ausschnitte aus den fünf Frauenleben interessiert, stellenweise auch wirklich ergriffen und gefesselt gelesen, richtig emotional abholen und mitreißen konnte mich, wenn dann nur die abschließende Geschichte. Vier Sterne sind aber auf jeden Fall noch drin.