Eine Hommage an die Schriftstellerei und das Aufbrechen von Konventionen

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
stefanie.scheurich Avatar

Von

»Die Liebenden von Bloomsbury« oder »eine Frau, die ihrer Zeit voraus war«.

Der biografische Roman handelt von den Stephens, allen voran von Virginia (spätere Woolf) und Vanessa (spätere Bell), die nach dem Tod ihres Vaters nach Bloomsbury ziehen und damit den ersten Schritt hinaus aus den Erwartungen ihres Umfelds und in ein selbstbestimmtes Leben wagen.
Ich muss gestehen, dass ich vor der Lektüre keinerlei Berührungspunkte mit Virginia Woolf hatte. Weder mit ihren Werken noch mit ihrer Person selbst.
Warum ich »Die Liebenden von Bloomsbury« unbedingt lesen musste, ist der Autorin geschuldet, die mich schon mit ihren früheren Romanen und vor allem mit ihrem Schreibstil verzaubert hat. Wie erwartet wurde ich nicht enttäuscht! Der Schreibstil ist schlicht traumhaft. Man merkt einfach, wie viel Erfahrung Stefanie H. Martin im Formulieren, im Dosieren und in der Auswahl der richtigen Worte hat.

»Virginia und die neue Zeit« lautet der Untertitel und suggeriert dem Lesenden erst einmal, dass das Buch überwiegend von der jüngeren Schwester Virginia handelt. Allerdings nimmt diese nur etwa die Hälfte der Erzählung für sich in Anspruch. Viel mehr kommen auch Vanessa und die männlichen Mitglieder der Bloomsberries zu Wort, was mir sehr gut gefallen hat, denn all diese Persönlichkeiten nehmen durch ihr Handeln und Wirken direkt oder indirekt Einfluss auf Virginia.
Zu Beginn des Buches habe ich vor allem für Vanessa starke Sympathie empfunden, was sich aber während des Lesens und vor allem gegen Ende der Erzählung geändert hat.
Virginia ist in jeder Hinsicht faszinierend! Ich konnte mich unglaublich toll in sie hineinversetzen und ihre Gefühle nachvollziehen. Insbesondere ihre Liebe zur Schriftstellerei war so bildhaft erzählt und begründet, dass meine liebsten Textpassagen tatsächlich jene sind, in denen Virginia über das Schreiben philosophiert. Wer selbst Berührungspunkte mit dem Schreiben hat, wird hier seine wahre Freude haben! Denn Stefanie H. Martin schafft es unglaublicherweise, Worte für etwas zu finden, das man nur schwer beschreiben kann.
Besonders gefallen hat mir auch, dass es keine Längen im Buch gab. Immer ist etwas passiert, haben Ereignisse stattgefunden, die Virginia und ihre Schwester im Leben voran getrieben haben. Am Ende wirkte Virginia in vielen Aspekten wie eine neue Person, ihr Charakter gefestigter und sehr viel stärker als früher. Wenn man bedenkt, was sie in der Vergangenheit erlebt hat und mit welchen psychischen Problemen sie zu kämpfen hatte, ist ihre Entwicklung noch beeindruckender.
Das Einzige was ich zu bemängeln habe, ist die Länge des Romans. Gerade am Schluss hätte ich gern noch viel mehr von Virginia und auch von Leonard Woolf gelesen, der in diesem ersten Teil nur als Randfigur in Erscheinung tritt. Zu 100 Seiten mehr hätte ich nicht Nein gesagt :D So muss ich leider bis Dezember auf die Fortsetzung warten.

»Die Liebenden von Bloomsbury — Virginia und die neue Zeit« ist ein brillant geschriebener Roman über eine Gruppe moderner, junger Menschen, die aus den gesellschaftlichen Konventionen ausbrechen und damit den Aufbruch in eine neue Zeit einläuten.