Das rote Halstuch der Partisanen

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allegra Avatar

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Dieser Kriminalroman ist der Auftakt einer Reihe um den jungen Journalisten Enrico Rovereschi, der in Mailand wohnt, für den Corriere della sera schreibt und befreundet ist mit dem dortigen Vicequestore Loris Sebastiani, der Rovereschi manchmal als Sachverständigen in Computerproblemen um Hilfe bittet.
Rovereschi ist in Campo die Ponte Emilia aufgewachsen, wo der Haupterzählstrang des Romans spielt. Er muss während des Urlaubs im Haus seiner Eltern die Katze füttern. In der Wohnung nebenan ist der Maresciallo Boskovic eingezogen, der sich ein Gürteltier namens Gatsby als Haustier hält, und in der Kaserne der Carabinieri mit dem etwas schwerfällligen Brigadiere Rizzitano zusammenarbeitet. Diese Konstellation gibt immer wieder Raum für humorvolle Situationen.

In Mailand wird eine weibliche Leiche gefunden, Vicequestore Sebastiani zieht Rovereschi hinzu, der dafür mehrmals zwischen Mailand und Campo di Ponte hin und her fahren muss. Dieser Handlungsstrang plätschert so dahin und zieht sich ziemlich in die Länge und es will nicht wirklich klar werden, wozu er überhaupt führen soll. Seine Auflösung wirkt auf mich leider etwas aufgesetzt und simpel.
Dieser langatmige Zwischenteil ließ mich einerseits etwas irritiert zurück, andererseits passt genau das zu der langen Hitzeperiode, die das Leben allgemein langsamer und träger macht.

Die Ermittlungen der Morde an zwei alten Männern in Campo die Ponte, denen als Warnung abgehackte Hände in den Briefkasten gelegt wurden,  führen zeitlich weit zurück, in ein düsteres Kapitel in Norditalien, in die Zeit der Repubblica di Saló, um 1943, wo Benito Mussolini Staatschef war und eine italienische SS gebildet hat, die Partisanen und Zivilbevölkerung blutig bekämpft hat. Am 25.4.1945 kam es zu einem Aufstand der Nationalen Befreiungsfront der Partisanen Norditaliens. Während diesen Unruhen versteckten sich SS Angehörige, wechselten das Hemd, und kamen, nachdem sich die Wogen geglättet hatten mit dem rote Halstuch der Partisanen zurück, um sich eine neue Identität aufzubauen.

Ich musste mich etwas in die historischen Hintergründe einlesen, bis ich alles verstehen konnte, finde aber, dass sich das durchwegs gelohnt hat.

Mir hat sehr gut gefallen, wie der Autor die sommerliche Stimmung rüberbringen kann. Die Figuren sind alle sehr detailreich, liebevoll schrullig gezeichnet. Die südliche Leichtigkeit  kommt ebenso wenig zu kurz wie die Vorliebe für gute Küche. Ich fühlte mich bei diesem Roman mehrheitlich gut unterhalten und habe etwas erfahren über ein mir bisher unbekanntes Kapitel europäischer Geschichte.

Was ich etwas gewöhnungsbedürftig finde, ist die Tatsache, dass die Hauptpersonen alle Männer sind. Wenn Frauen vorkommen, sind sie entweder tot, weinen, wischen Tische ab, oder sie sind im Bett mit einem Kerl. -   Machos eben, wie es das Klischee der Männerwelt in Italien so will.

Etwas störend fand die Verwirrung um den Namen Mayer und Mayher, deren Schreibweise sich in einem „h“ unterscheiden und nicht in einem „y“. Ebenso stört mich, dass in der Inhaltsangabe im Buch steht, die abgehackte Hand wäre in einem Päckchen im Briefkasten gelegen und dessen Umschlag wäre mit Rudolph Mayer adressiert gewesen. Die Hand lag jedoch offen im Briefkasten und der Brief wurde erst vom Postboten zugestellt, sonst wären ja die abgehackten Hände nie gefunden worden. Aber dafür kann der Autor ja nichts, die Inhaltsangabe wurde vermutlich im Rahmen der Übersetzung verfasst.

Insgesamt ist das ein Krimi, der sicher seine Schwächen hat, aber ich denke als Erstlingswerk kann er sich durchaus sehen lassen. Ich bin sicher, dass die entwickelten Hauptpersonen, die bezaubernde Landschaft und die eigenwilligen Haustiere eine gute Ausgangslage darstellen, für weitere Krimis um Enrico Radeschi.
 
Ich vergebe 3,5 von 5 Punkten.