Die Emotionslosigkeit irritiert

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
readtobee Avatar

Von

Der Roman von Hwang Sok-Yong handelt von der 15jährigen Chong, die von ihrer Stiefmutter verkauft wird und in einem ihr fremden Land als Freudenmädchen arbeiten muss.
Zunächst landet sie auf einem Schiff nach China. Sie wird ihrer Seele beraubt (in einem Ritual mit Strohpuppe), gefoltert (waterboarding) und man nimmt ihr den Namen und damit ihre Identität. Schließlich landet sie als Zweitfrau bei einem greisen Chinesen, dem sie ihren jugendlichen Körper für sexuelle Handlungen zur Verfügung stellen muss...

Mehr vom Inhalt möchte ich gar nicht verraten.

Ich hätte mehr Tiefe bei der Figurenentwicklung gewünscht. Insbesondere der Charakter der Protagonistin Chong (Lenhwa - Lotosblüte) bleibt mir zu oberflächlich.
Denn sie scheint jegliches Leid emotionslos zu ertragen. Weder zu Beginn, als sie entführt wird, noch in den folgenden Szenen zeigt Chong Regungen, die für mich nachvollziehbar wären. Im Gegenteil. Sie findet (scheinbar) Gefallen an dem Missbrauch durch den Achtzigjährigen, dem sie als erstes dienen muss: "Ch´en drehte sich langsam um und näherte sich vorsichtig dem jungen Mädchen, das erwartungsvoll auf dem Rücken lag."(56) Danach folgt eine Textpassage, in der sie lustvoll stöhnt...
Der Roman ließ mich stellenweise irritiert zurück. Was genau will der Autor mit seinem Werk zum Ausdruck bringen?

Der Schreibstil gefällt mir recht gut, wobei ich an einigen Stellen den Eindruck hatte, dass er besser hätte übersetzt werden können.
Das Thema und die politischen Hintergründe sind interessant. Allerdings hatte ich mir insgesamt mehr von dem Roman versprochen.