Epische Gesellschafts- und Frauengeschichte

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
evaczyk Avatar

Von

Nachdem ich mit "Die Plotter" vor ein paar Monaten mein erstes Buch eines koreanischen Autors gelesen habe und sehr beeindruckt war, war ich sehr gespannt auf "Lotosblüte" - auch wenn es sich um ein ganz anderes Genre und diesmal um ein historisches Frauenschicksal handelt. Die 15-jährige Koreanerin Chong, aus bittererer Armut als Zweitfrau/Geliebte an einen alten, reichen Chinesen verkauft, erlebt die Zeit der Opiumkriege und die Umbrüche in Ostasien. Ihre Schönheit und Jugend betört die Männer, doch für die meisten ist sie nur ein Lustobjekt - ob als Freudenmädchen in Nanking, von Menschenhändlern nach Formosa verkauft oder als Gespielin eines Engländers, der für die ostindische Handelsgesellschaft in Singapur lebt.

Doch schon früh entscheidet Lenghwa, wie sie in China genannt wird, dass sie die Meisterin ihres eigenen Schcksals sein will, dass sie den Männern, die ihren Körper zu besitzen glauben, nicht die Kontrolle überlassen will. Dass sie in ihrem stürmischen, wechselhaften Leben dann sogar Liebe findet - damit hätte sie wohl selbst kaum gerechnet.

Das faszinierende Schicksal einer starken und selbstbewussten Frau schildert "Die Lotosblüte" allemal. Allerdings wird der Wandel vom schüchternen, unberührten und verängstigtem Mädchen zu der selbstbewussten Frau, die ihren Körper aus Kalkül einsetzt, nicht wirklich nachvollziehbar. Und überhaupt bleibt die Dynamik der Frauengesellschaft in den Häusern mit der roten Laterne, irgendwo zwischen Solidarität und Konkurrenz, offen.

Vielleicht ist das nicht allein einer anderen Erzähltradition geschuldet, sondern vor allem der Tatsache, dass der Autor ein Mann ist und eben nicht in einem weiblichen Körper steckt. So faszinierend die Geschichte der Lotosblüte in diesem epischen Gesellschaftbild auch ist - wirklich glaubwürdig oder überzeugend sind die Frauenfiguren nicht geraten. Lesbar und spannend für alle, die sich für Geschichten aus anderen Kulturen und deren Erzählweisen interessieren, ist "Die Lotosblüte" dennoch.