Faszinierend, grausam, sachlich

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isaba Avatar

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Die Lektüre der Lotosblüte war eine Wundertüte verschiedener Eindrücke, die mir weitesgehend gut gefallen hat.

Die kleine Chong hat keine leichte Kindheit, denn sie muss ihrem blinden Vater die Augen ersetzen und mit ihm betteln, um nicht zu verhungern. Mit 15 wird sie an einen greisen Chinesen als Geliebte verkauft und ihrem alten Leben entrissen. Als ihr "Besitzer" stirbt, geht ihre Odyssee weiter und sie landet im Bordell, wo sie einiges erdulden muss und dennoch im Stillen nicht aufgibt, sondern versucht, ihr Leben in die Hand zu nehmen.

Der Leser wird entführt in die fremde Welt Asiens vor über 100 Jahren. Diese Kultur ist der unseren so fremd, dass allein die Beschreibung der Sitten und Gebräuche es schon wert sind, das Buch zu lesen. Es ist jedoch eine extrem grausame und frauenfeindliche Welt, die dort beschrieben wird. Ich habe das Gefühl, dass der Autor Wert darauf gelegt hat, diese kulturellen Werte so sachlich wie möglich zu beschreiben.

Die Lebensgeschichte von Chong bzw. Lenhwa ist sehr interessant und spektakulär und der flüssige und intensive Schreibstil von Hwang Sok-Yong macht es leicht, in die Story einzutauchen. Jedoch hat es mich ein wenig gestört, dass seine Hauptfigur ihr Schicksal zum Teil seltsam ergeben hinnimmt. Man erfährt wenig von ihren Gedanken, sie agiert sehr passiv und pragmagtisch und ich bekam eher das Gefühl vermittelt, als würden ihr die an ihr verübten Grausamkeiten sogar gefallen. Das sorgt dafür, dass man als Leser kaum Sympathie entwickeln kann, was der Geschichte leider viel von ihrer Emotionalität nimmt. Zudem sind manche Szenen für meinen Geschmack zu langgezogen und bildlich beschrieben, das stört eher den Lesefluss.

Insgesamt hatte ich mir die "Lotosblüte" noch interessanter vorgestellt, weil ich sicherlich auch das Meisterwerk "Die Geisha" im Hinterkopf hatte. Dieses Buch kann in diesem Vergleich nicht mithalten. Dennoch fand ich die Story spannend und lesenswert.