wunderschön

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sissidack Avatar

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An den Roman bin ich mit Vorurteilen herangegangen. „Aus dem Koreanischen“ ließ meine Bedenken enorm anwachsen. Will sagen: Vorurteile sollte man abstellen. Der Roman ist vom ersten bis zum letzten Kapitel sehr gut. Für uns Europäer sind Korea, China, Vietnam usw. oft als ein Gebiet vorstellbar. Weit gefehlt! Jedes Land hat seine eigenen Probleme, Bräuche und Verhaltensweisen. Wie weit diese verflochten sind und trotzdem für jedes Land, ja sogar für jedes der vielen Königreiche, Inseln oder Verwaltungsbezirke total unterschiedlich sind, ist faszinierend und verwirrend. Unsere Protagonistin Chong ist das Kind vollkommen armer Eltern. Betteln um Nahrung gehört zu ihrer Kindheit. Als ihre Stiefmutter sie dann verkauft und genau weiß, dass das Kind zur Prostitution gezwungen werden wird, ist der Leser erschüttert. Chong ist naiv und eben noch ein Kind. Der Abschnitt, in dem beschrieben wird, wie sie als „Jungbrunnen“ für einen uralten reichen Mann vorbereitet wird, ist erschütternd. Das Zusammensein mit diesem, ihrem Herrn, erweckt Grauen. Doch Chong lebt sich ein und arrangiert sich. Allerdings muss sie hier zum ersten Mal ihr ICH aufgeben. Sie wird Lotosblüte. Als Geliebte des Alten nimmt sie eine Stellung in der Familie ein, die nur schwer zu verstehen ist. Zum ersten Mal in ihrem Leben hat sie keinen Hunger, schöne Kleider und eine Unterkunft - fast wie im Märchen - und sogar zwei Frauen, die als eine Art Zofen agieren. Als der Alte eines Tages während eines „Besuches“ bei Lotosblüte stirbt, wird sie nicht mehr gebraucht. Für das Mädchen beginnt ein Leben mit Höhen und Tiefen. Sie arbeitet als Prostituierte. Jetzt erfährt der Leser, wie diese Mädchen in der uns fremden Kultur behandelt werden. Lotosblüte hat immer wieder Glück und arbeitet in Häusern, in denen die Besitzer die Mädchen gut behandeln. Die Mädchen achten einander und passen aufeinander auf. Lotosblüte lernt hier ihre erste Liebe kennen. Die beiden entfliehen dem Haus in dem sie arbeitet und sich ein wenig nach oben gearbeitet hat. Ihr Glück dauert nicht lange. Sie werden getrennt. Lotosblüte muss ihr Leben von Neuem aufbauen. Sie ist schön und hat verstanden, wie sie mit ihren Reizen die Herren manipulieren kann. Dieser Abschnitt ist besonders aufregend. Hier wird auch beschrieben, was eine Geisha ist, welche Aufgaben sie hat, wie sie sich benehmen muss, aber auch welche Rechte sie hat und wie sie sich schützen kann. Das war für mich vollkommen neu und absolut interessant. Nicht jede Prostituierte ist eine Geisha und umgekehrt. Weiter geht es mit dem bewegten Leben von Lotosblüte. Durch ihre Klugheit und Gewandtheit im Umgang mit Männern schafft sie es bis zur Frau eines hochgestellten Adligen. In dieser Stellung tut sie Gutes für die Armen und hilft ihrem Mann bei der Neuorganisierung der veralteten gesellschaftlichen Verhältnisse. Hier beginnt eine Passage des Romans, die schwierig zu verstehen ist. Der Autor erklärt gesellschaftlich festgefahrene und für das Land und seine Entwicklung hinderliche Gewohnheiten. Ich muss gestehen, dass ich zwischenzeitlich versucht war hier einfach aufzugeben. Doch am Ende der Geschichte, erfährt unsere Lotosblüte alle Ehren, die in diesen Ländern den alten Menschen entgegengebracht werden. Sie lebt jetzt zurückgezogen und friedlich bis zu ihrem Tod. Chong-Lotosblüte hat ein erfülltes Leben in allen nur möglichen Facetten gelebt.
Das Buch ist ein Erlebnis. Mit seinen Einblicken in mir fremde Kulturen habe ich es genossen zu lernen und mitzufühlen. Ein MUSS für alle Liebhaber von nicht oberflächlicher Literatur.