Pater Kern hat mich berührt

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Handlung

In der Kathedrale Notre Dame in Paris sitzt eine spärlich bekleidete junge Frau in einer Bank und scheint zu beten. Sie fällt dem Aufseher und dem Küster auf, die anzügliche Bemerkungen über "die Bombe" machen. Als sich eine amerikanische Touristin neben die junge Frau setzen möchte, kippt diese zur Seite. Das weiß gekleidete, hübsche Mädchen ist tot.
Daraufhin wird die Kathedrale von den Touristen leer geräumt, wodurch potentielle Zeugen verloren gehen, was später die Ermittlungen erschweren wird.
Das Mädchen ist vermutlich schon die ganze Nacht über in der Kirche gewesen. Aber weshalb wurde es beim letzten Rundgang des Wachmanns nicht gesehen?

Die gerichtsmedizinische Untersuchung ergibt, dass die Vagina des Mädchens mit Wachs aus Gebetskerzen, wie sie zu Hunderten in der Kirche herumstehen, abgedichtet worden ist und auf diese Weise die Jungfräulichkeit wieder hergestellt wurde.

Die weiß gekleidete Frau ist am Vortag bereits aufgefallen. Sie ist bei der Prozession anlässlich Mariae Himmelfahrt in ihrem aufreizenden Kleid vorne bei der Madonnenstatue mitgelaufen und hat die Priester ins Schwitzen gebracht. Darauf hin hat sich ein junger Mann auf sie gestürzt und sie wüst beschimpft. Der junge Mann macht einen etwas gestörten Eindruck und leidet an religiösen Wahnvorstellungen. Er ist völlig auf die Mutter Gottes fixiert, man findet in seinem Zimmer unzählige Marienstatuen und obszöne Zeichnungen. Schnell ist in den Augen der Polizei der Täter gefunden, doch Pater Kern, der jeden Sommer in Notre-Dame Urlaubsvertretung macht, hat seine Zweifel. Zusammen mit der Staatsanwältin Claire Kauffmann ermittelt er um der Wahrheit willen.


Meine Meinung

Mit der Kathedrale Notre-Dame hat der Autor einen sehr interessanten und für mich ungewohnten Schauplatz gewählt. Ich fand es recht interessant, etwas über eine besondere Art Tourismusbetrieb zu erfahren. Einerseits gilt es die Ruhe und Würde der Kirche zu wahren, andererseits weiß man, dass man sich den Touristen öffnen muss.

Mit dem Auftritt der Polizei bedient sich Alexis Ragougneau etwas vieler Klischees. Die Männer machen abschätzige Bemerkungen gegenüber allen auftretenden Frauen, es wird überall geraucht, sogar in der Kirche und schon zum Mittagessen reichlich dem Alkohol zugesprochen. Der rüpelhafte Nicht-Sympathieträger Commandant Landard ist schnell geboren.
Mit dem Erscheinen von Pater Kern hat sich meine Meinung zum Positiven gewendet. Er ist ein sehr sensibler Mann, der gezeichnet ist durch eine chronische Krankheit. Im Kindesalter ist er so schwer an Arthritis erkrankt, dass sein Wachstum stark beeinträchtigt war und er nur 1,48 m groß geworden ist. Auch im Erwachsenenalter, wird er von Schmerzschüben geplagt, die ihm das Leben sehr schwer machen. In seinem kleinen Äußeren stecken aber ein großes Herz, ein wacher Verstand und auch ganz viel Mut. So begibt er sich für seine Nachforschungen in einem sehr ungewohnten Umfeld in Gefahr an Leib und Seele. Er ist aber ganz und gar nicht fehlerlos. Angesichts der Tatsache, dass er Priester ist, möchte man ihn am liebsten in den Beichtstuhl schicken, aber auf der anderen Seite.

Eine ebenfalls interessante Figur ist die Staatsanwältin Claire Kauffmann. Sie ist jung, noch sehr verunsichert und wird dementsprechend in einer Macho gefärbten Männerwelt nicht ernst genommen. Wie Pater Kern trägt auch sie ein Päckchen voller Belastungen aus ihrer Jugendzeit mit sich herum und neigt deshalb auch mal zur Überkorrektur. Sie stellt aber ihr Handeln in Frage und hilft durch kleinere „Versehen“ Pater Kern an Informationen zum Fall zu gelangen.

Der Kriminalfall selber ist nicht so spektakulär. Eine gewisse Spannung ist durchweg da, aber in diesem Auftakt zur Pater Kern Serie hat der Autor eindeutig den Schwerpunkt auf die Charakterisierungen der Hauptfiguren und die Beschreibung des Schauplatzes gelegt. Da ich kein großer Kenner von Kirchen bin und für mich die eine wie die andere aussieht, wäre ich froh gewesen um einen Plan der Kathedrale Notre-Dame, um die Handlung auch örtlich besser nachvollziehen zu können.

Das Cover des Buches zeigt den Blick aus einem düsteren Tor auf die Kathedrale Notre-Dame, in Sepia Farben gehalten und ganz ohne Touristen. Ich finde dieses Bild sehr stimmungsvoll. Das Taschenbuch liegt in Klappbroschur vor und kostet 14,99 €, was ich für ein 250 Seiten dickes Buch schon etwas viel finde. Auch wenn das Buch edler daher kommt als ein Taschenbuch, ist es dadurch noch lange nicht gebunden.


Mein Fazit

Ich habe diesen sehr flüssig geschriebenen Krimi innerhalb 3-4 Tagen ausgelesen. Den Kriminalfall als Solches fand ich jetzt nicht allzu spannend. Aber die Figur des Pater Kern hat mich sehr berührt. Ich werde mir seinen nächsten Fall mit großer Wahrscheinlichkeit auch zu Gemüte führen.

Ein netter Krimi, von mir 4 Sterne.