Erschütternder Thriller im Umfeld des zweiten Weltkriegs

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
peter b. Avatar

Von

Der Name Jean-Christophe Grangé dürfte Thriller-Freunden durchaus geläufig sein, insbesondere durch sein in Deutschland vielleicht bekanntestes Werk „Die purpurnen Flüsse“, welches auch sehr erfolgreich verfilmt wurde.
Neu erschienen ist nun ein „großer historischer Berlin-Thriller“, wie der Verlag auf dem meiner Meinung nach durchaus gelungenen Cover schreibt. Unter dem Titel „Die marmornen Träume“ kann man sich zunächst nicht wirklich etwas Konkretes vorstellen, dennoch wird eine gewisse Neugier geweckt.
Die Printausgabe hat gut 680 Seite und ist somit kein kurzes Werk. Dennoch und durch die Unterteilung in viele kurze Kapitel ist es gut durchlesbar. Dazu trägt natürlich auch die spannende Geschichte bei, womit wir beim Inhalt wären:

Im Berlin unmittelbar vor Beginn des zweiten Weltkriegs lernen wir die drei Protagonisten des Romans kennen. Den Analytiker, Traumdeuter und Gigolo Simon Kraus, der einerseits als Traumdeuter für die höhere Gesellschaft agiert, genauer gesagt meist für den weiblichen Teil dieser Gesellschaft, wobei er als lukratives Geschäftsmodell nebenher seine Patientinnen verführt und anschließend erpresst.
Zu ihm gesellt sich der SS-Offizier Franz Beewen, der den Auftrag hat, den Mord an einer Dame aus dem elitären Wilhelmklub aufzuklären, die eben auch Patientin von Simon Kraus ist.
Vervollständigt wird das Ermittler-Trio von Minna von Hassel, einer adligen (und alkoholabhängigen) Ärztin, die eine psychiatrische Klinik leitet, in der auch Beewens Vater Patient ist.
Es mag konstruiert klingen, dass sich ein solches Trio zu einer gemeinsamen Mordermittlung zusammenfindet, aber dem Autor gelingt es meisterhaft, die Geschichte so zu erzählen, dass man nicht den Eindruck hat, es wäre alles völlig unlogisch und an den Haaren herbeigezogen.
Vielmehr wirkt alles logisch und hätte sich durchaus genau so in der damaligen Zeit abspielen können. Das ganze ist spannend und bildhaft geschrieben, so dass man gerne nochmal ein oder mehrere der kurzen Kapitel weiterliest, wo man vielleicht schon anderes tun wollte.
Geschickt legt Grangé falsche Fährten, um den Leser dann mit einem unerwarteten Täter zu überraschen, ohne dass es völlig unglaubwürdig und abstrus wirken würde.

Eine leichte Kost ist das Buch nicht. Ausführlich beschreibt der Autor die Gräueltaten, die sich im Krieg und in der Nazidiktatur vor dem Krieg ereignet haben und die offenbar ganz normal waren, seien es grausame Gewalttaten oder ein ständiges gegenseitiges Bespitzeln.
Für die meisten Leser, die zum Glück keinen Krieg selbst miterleben mussten, dürfte das sehr erschütternd sein.

Insbesondere die Figur des Ernst Mengerhäusen spielt eine besondere Rolle bei den im Buch geschilderten Grausamkeiten dieser Zeit. In einem Wahn werden ihm Gräueltaten zugeschrieben, welche die menschliche Vorstellungskraft fast übersteigen und die den Leser sicher an der einen oder andren Stelle wütend und fassungslos zurücklassen.
Wenn der Leser hier Parallelen zum SS-Lagerarzt Josef Mengele zieht, dürfte er sicher nicht ganz falsch liegen. Alleine die Namensgebung der Figur des Romans ist wohl eher kein Zufall.

Fazit:
Ein spannendes Buch. Die erschütternde Zeit wird dank der bildhaften Sprache des Autors vor dem inneren Auge des Lesers lebendig. Allerdings ist es nichts für zart besaitete Personen, die sonst möglicherweise auch von „marmornen Träumen“ aufgesucht werden.