Historischer Kriminalroman

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„Weißt du, was Freud gesagt hat? ‚Gewalt ist ein Mangel an Vokabular.‘“

Berlin 1939: Während die Welt dem Grauen des Zweiten Weltkrieges entgegenblickt, treffen sich die schönen Damen der Nazi-Elite zum Champagner im Adlon. Sie scheinen unantastbar. Bis an der Spree eine brutal zugerichtete Frauenleiche gefunden wird – sie war eine von ihnen. Der mit den Ermittlungen betraute SS-Offizier Franz Beewen steht vor einem Problem: wie soll er einen Mord aufklären, wenn es doch im Regime offiziell keine Kriminellen mehr gibt? Hinweise erhofft er sich von Psychoanalytiker Simon Kraus, der die gelangweilten Ehegattinnen hoher Nazifunktionäre „behandelt“ – und sich sein Gehalt anschließend durch ihre Erpressung aufbügelt. Gemeinsam mit der Psychiaterin Minna von Hassel verfolgt das ungleiche Gespann die Spur des Täters bis in die obersten Führungskreise des Regimes …

Jean-Christophe Grangé gelingt mit seinem historischen Thriller „Die marmornen Träume“ eine erbarmungslose Jagd in die finstersten Abgründe der menschlichen Existenz. Soghaft entwickeln sich die Gräuel der Handlung parallel zu den Absichten der Charaktere. Ihre Beziehungen am Schauplatz des vom Krieg bedrohten Berlins zeichnen ein realistisches Bild der damaligen Verhältnisse und erzählen gleichermaßen von Willkür, Gewalt wie Grausamkeit. Während die kriminalistische Aufdeckung des Mordfalls von schockierenden Wendungen geprägt ist, werden, durch einen gut dokumentierten (sowie durch die Handlung gerechtfertigten) Rückblick, die tatsächlichen Abartigkeiten der Nazis bei der Verfolgung sogenannter „Reichsfeinde“ auserzählt. Dieser Drastik liegt kein Voyeurismus zugrunde und dennoch ist sie nur schwer zu ertragen. Aber das ist schlussendlich auch das Geniale an diesem Buch: Grangé bedient sich realer Ereignisse – er muss das Schlimmste nicht erst erfinden.

„Die marmornen Träume“ ist ein historischer Kriminalroman, der, verankert im dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte, die Natur des Menschen auf den Prüfstand stellt und zum Nachdenken anregt. Außerdem ist er mit seinen 680 Seiten ein perfekter Kandidat für das laufende #DickeBücherCamp – große Leseempfehlung!

Aus dem Französischen von Ina Böhme.