Keinen Frieden, keine Freude, kein obligatorischer Eierkuchen.

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josetta Avatar

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Die Triggerpunkte, die mich zu diesem Buch greifen ließen, waren der Damenclub im Adlon, ein brillanter Psychoanalytiker, sowie ein Buchautor, der die Kunst des Thriller-Schreibens in seinen früheren Werken meisterhaft umsetzte.

Fast 700 Seiten voller Text, „Die marmornen Träume“ ist doch ein ganz schön dicker Schinken. Ich war froh, dass ich in der Geschichte ankommen durfte. Relativ behutsam und ausführlich führt uns Grange in das Denken und Handeln seiner Hauptprotagonisten ein. Eine Zweckgemeinschaft, zusammengefunden nur, um einen grausamen Serienkiller dingfest zu machen.

Ein Sympathieempfinden für die Dreierkonstellation, egal ob für Kraus, Beewen oder Minna, wollte sich bis zum Schluss der Geschichte nicht einstellen. Es sind regelrechte Antihelden, gezeichnet von ihrem Alltag, der Vergangenheit und der ständigen Angst beim Regime in Ungnade zu fallen.

Die Geschichte erinnert stark an Volker Kutschers Babylon Berlin und ich musste mir alle Mühe geben, dass sich die Gesichter der Seriendarsteller nicht vor mein inneres Auge schoben. Aber das nur nebenbei bemerkt.

Die Ermittlungen sind stümperhaft und zielen einzig auf das eigene Wohl ab: Das bequeme Lotterleben von Kraus, Beewens berufliche Gestapo-Kariere und Minnas Abhängigkeit von Drogen und Alkohol. Alle vermeintlichen Lösungsansätze scheinen in einer Sackgasse zu enden. Und die Herren der Nazi-Elite sind definitiv „not amused“, wenn in ihren eigenen Reihen gewildert wird.

So kann der ominöse Mann mit der Marmormaske ungehindert weitere Opfer abschlachten. Er verstrickt Kraus, Beween und Minna immer tiefer in einen Sumpf von Abartigkeiten, deren unmenschliche und satanische Ausmaße man gar nicht beschreiben will. Glauben sie mir, es wird schlimm, richtig schlimm…

In diesem Buch gibt es rein gar nichts Freundliches. Keinen Frieden, keine Freude, kein obligatorischer Eierkuchen. Stattdessen unmenschliche Gewalt und psychische Folter. Gepaart mit dem brutalen, krankhaften Denken und Treiben der Hitleranhänger, welches dem Leser mit voller Wucht um die Ohren gehauen wird. Ich bin hart im Nehmen, was dieses Genre betrifft, aber hier stoße selbst ich an meine Schmerzgrenze. Keine Frage, der marmorne Alptraum wurde perfekt ausgetüftelt und bringt alles mit, was einen guten Thriller ausmacht. Aber in den Abgrund dieses Sündenpfuhls, der wirklich alles Menschenerdenkliche beinhaltet, möchte ich nie wieder blicken.

Einen Stern Abzug für die Gewalt und Abartigkeit, die mir auf fast jeder Seite entgegensprang. Wer zu diesem Roman greift, sollte jedenfalls nicht zart besaitet sein, wird aber gut unterhalten.