Mordermittler in der Nazizeit

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ann-marie Avatar

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Der Autor dieses seitenstarken Thrillers war mir bisher nicht durch seine Romane, sondern durch den Film "Die purpurnen Flüsse", basierend auf dem gleichnamigen Roman des Autors, bekannt. Aufmerksam geworden auf den vorliegenden Thriller bin ich durch das für mich auf den ersten Blick recht verstörende Cover, das mich das Buch dann in die Hand nehmen und die kurze Inhaltsangabe lesen lies. Da mich die dem Roman zu Grunde liegende Zeit schon sehr lange interessiert und ich bisher noch keinen Roman dieses Genres gelesen habe, habe ich mich mit großem Leseeifer in den Roman gestürzt.
Handlungsort und –zeit ist Berlin im Jahr 1939, eine Großstadt zu Beginn der Nazi-Herrschaft. Zeit und Umfeld werden hervorragend skizziert und mit einem interessanten und nicht oft genutzten Handlungsort eines fiktiven Romangeschehens verknüpft: die Praxis des Psychoanalytikers Simon Kraus, der sich hervorragend darauf versteht, als Traumdeuter ausschließlich seinen Patientinnen, allesamt Ehefrauen von Nazi-Größen, helfend und beratend zur Seite zu stehen. Dass sich hinter seinem herausragenden medizinischen Können aber auch eine ganz andere, erpresserische Seite verbirgt, lässt sich schon bald erkennen. Simon Kraus fühlt sich ausgesprochen wohl in dem Leben, das er sich auf diese Weise aufgebaut hat und lebt – wäre da nicht eines Tages der unfassbar brutale Mord an einer seiner Patientinnen. Dieses Verbrechen, dem in der Folge noch weitere der gleichen Art folgen, aufzuklären fällt dem Hauptsturmführer bei der Gestapo, Franz Beewen zu, den sein Ermittlungsweg dann auch recht schnell zu Simon Kraus führt. Notgedrungen arrangieren sich die beiden in dem gemeinsamen Versuch, die bereits begangenen Morde aufzuklären und weitere zu verhindern. Und erhalten zusätzliche Unterstützung bei ihrer Arbeit durch die (aristokratische) Leiterin einer Nervenheilanstalt, Minna von Hassel, die dem Alkohol- und Drogenkonsum alles andere als abneigend gegenübersteht …
Ein äußerst skurriles Ermittlertrio, wobei die drei Charaktere unterschiedlich und einzigartig gestaltet sind. Mit Ecken und Kanten, mit Gedanken und Handlungen, die überzeugen und die durchaus als lebensecht, schlüssig und überzeugend bezeichnet werden können. Es war interessant, jede einzelne im Laufe der Romanhandlung immer besser kennenlernen zu können, da mich der Autor nach und nach ihre Geheimisse und Gedanken wissen ließ und ihnen dadurch ein individuelles Leben gab. Und dies alles verknüpft mit interessanten Blicken hinter die Kulissen einer Zeit, bei der es bereits viele zum Teil noch unentdeckte menschliche Grausamkeiten gab.
Der Roman vermittelt auf eine sehr eindrückliche Weise die damaligen historischen und auch politischen Gegebenheiten. Dazu wird ein Verbrechen konstruiert, das hervorragend und passgenau mit diesem zeitlichen und auch politischen Umfeld verknüpft wird. Für mich wurde eine Authentizität erzeugt, die mich nicht daran zweifeln ließ, "dass es so gewesen sein könnte".