Ungleiche Ermittler in einer Atmosphäre des Grauens

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miltonia 01 Avatar

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Ich kenne Grangés „Die purpurnen Flüsse“ und war schon da schwer geschockt. Hier ist Sujet und Stil ganz anders, aber auch das gelingt Grangé ganz hervorragend.

Wir befinden uns in Berlin am Vorabend vor dem Überfall Hitlerdeutschlands auf Polen und damit dem Beginn des 2. Weltkriegs. Nicht nur die Hauptstadt, sondern ganz Deutschland ahnt die unheilvollen Jahre, die kommen werden, das Klima untereinander ist von Angst und Wegschauen besetzt und in dieser düsteren Atmosphäre geschehen 3 Frauenmorde, bei denen den jungen schönen und äußerst privilegierten Frauen aus höchsten NS-Kreisen nach der Ermordung äußerst brutal die inneren Organe entnommen werden.

Da die normale Kriminalpolizei im NS-Staat ebenfalls kaltgestellt wurde, übernimmt die Gestapo die Fälle und beauftragt Obersturmführer Beewen mit den Ermittlungen. Dieser brutale Klotz holt sich erstaunlicherweise die alkohol- und drogenabhängige Leiterin einer Irrenanstalt Minna von Hassel und den kleinwüchsigen Psychoanalytiker Simon Kraus zur Hilfe. Diese bilden ein irrwitziges Trio, dass sich eigentlich nicht ausstehen kann vor lauter Unterschiedlichkeit und trotzdem bangt und fiebert man mit ihnen mit und hofft, dass sie den brutalen Mörder rechtzeitig finden.

Grangé gelingt es unglaublich gut, das Klima aus Angst und Beklemmung nachzuzeichnen, die alltägliche Brutalität, mit denen unliebsame Menschen, ob nun Kranke oder ganze Bevölkerungsgruppen wie die Juden oder Roma, ohne Skrupel vernichtet werden und alle sehen es und wissen es und haben keinerlei Handhabe, selbst sie etwas dagegen tun wollen würden. Und viele andere profitieren sogar davon, bekommen deren Wohnungen und Besitz.
Dabei sitzt der Zweifel und die Ablehnung dieser Methoden und Weltanschauung oft recht nah an der Oberfläche selbst bei Personen, die dem Regime nahe stehen. Und innerhalb der Gestapo wünschen sich die Kollegen gegenseitig die Pest an den Hals.

Auf der Jagd nach dem Mörder taucht man als Leser aber ebenso in das wahnwitzige Berliner Nachtleben der damaligen Zeit ein mit einer relativ offenen bunten Schwulenszene, in das Elend der Kriegsversehrten aus dem 1. Weltkrieg und in die sogenannten Judenhäuser, wo auf engstem Raum viele Juden dahinvegetieren, bis sie doch schlussendlich zur Ermordung abgeholt werden.

Sehr faszinierend und berührend, dabei sehr aktion- und spannungsreich, auf jeden Fall eine Empfehlung.