Walpurgisnacht im Tiergarten

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owenmeany Avatar

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Gnadenlos breitet der Franzose Grangé eine Mordserie im nationalsozialistischen Berlin zu Beginn des Zweiten Weltkriegs vor uns aus, wobei die Bestialität der Verbrechen kaum an die alltäglichen Grausamkeiten der Nazis heranreichen. Die Verletzungen der betroffenen Menschen wurzeln in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs.

Geradlinig schreitet die Recherche vorwärts, in diesem Buch fast ohne Rückblenden außer denen, die zur Charakterisierung der drei Ermittler notwendig sind und diese glaubwürdig darstellen: Franz Beewen, Hauptsturmführer der SS, Simon Kraus, zwielichtiger Psychiater, und Minna von Hassel, die adlige und von Hause aus reiche Leiterin eines Nervensanatoriums für Kriegsgeschädigte. Keiner von ihnen sympathisiert ernsthaft mit dem sadistischen Regime, aber alle haben sich mehr oder weniger damit arrangiert, um selbst mindestens mit heiler Haut davonzukommen oder sogar Karriere zu machen.

Dass ihnen strengstens verboten wurde, auch nur das geringste Detail an die Öffentlichkeit dringen zu lassen, erschwert die Nachforschungen ungemein, genauso wie die Dynamik, die sich sowohl positiv als auch negativ zwischen den Protagonisten entwickelt.

Grangé hat Ort und Zeit akribisch erforscht und macht keinen Hehl aus seinem Abscheu, was sich in einem dauerhaft sarkastischen Unterton äußert. Neben dem jedem Krimi immanenten Spannungsbogen von Anfang bis zum Schluss bezüglich des Täters baut der Autor auch kleinere ein, die atemberaubende Actionszenen wie zum Beispiel eine Verfolgungsjagd umfassen, ganz besonders dramatisch umrahmt von Kriegsparolen. Wären die Umstände nicht so brutal, könnte man sie als meisterhafte Kabinettstücke bezeichnen, beinahe eines Tarantino würdig. Manche der Kulissen sind regelrecht "Babylon Berlin" entnommen. Wüsste man nicht um die Realität der damaligen Jahre, würde man das Ganze schier für eine Groteske halten.

Als mit fortschreitendem Handlungsverlauf immer wieder Fährten im Sande verlaufen oder gegen die Wand fahren, Franz, Simon und Minna dagegen ins Fadenkreuz der politischen Gefahren geraten, mag man mit der Lektüre nicht mehr absetzen bis hin zum nicht vorhergesehenen Ende.