Die Mauer und der Wandel - eine erschreckende Dystopie

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isaba Avatar

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Diese Geschichte lässt mich sehr nachdenklich zurück. John Lanchester schafft eine erschreckende Dystopie, die hochbrisant, aktuell und dennoch zeitlos ist.

Durch die Augen des jungen Joseph Kavanagh lernen wir die Welt der näheren Zukunft von Großbritannien kennen: Eine Mauer umspannt die gesamte Insel, um niemandem Zutritt zu gewähren, der nicht zum eigenen Volk gehört. Jeder junge Brite, männlich wie weiblich, leistet zum Schutz des Landes zwei Jahre Dienst an dieser Mauer. Sie muss rund um die Uhr vollständig bewacht und verteidigt werden. Kavanagh ist entsetzt über die Aufgabe, jeweils 12 Stunden am Stück die Kälte, Langeweile und Einsamkeit der Mauer ausgeliefert zu sein. 2 Jahre erscheinen wie ein Leben. Bis tatsächlich ein Angriff der "Anderen" erfolgt und das Leben des Verteidigers völlig aus der Bahn wirft.

Ich möchte gar nicht so viel zum Inhalt schreiben, sicherlich könnte man noch viel tiefer ins Detail gehen. Doch nicht zu wissen, in welche Richtung sich die Geschichte entwickelt, macht den Reiz des Buches aus.

Der Autor legt eine hervorragende Geschichte vor. Die Figuren neben dem Hauptakteur bleiben vage. So erreicht Lanchester eine totale Fokussierung auf Joseph Kavanagh als Helden der Geschichte. Seine Angst, seine Hilflosigkeit, seine Wut auf die Verantwortlichen, seine leise immer mitschwingende Hoffnung und seine Einsamkeit sind durchdringend und auf jeder Seite spürbar.

Der Leser erlebt "Alltagssituationen" in der neuen Welt und lernt so die Hintergründe und Glaubenssätze der Gesellschaft kennen. Im Anschluss nimmt die Geschichte einige dramatische Wendungen, die den Spannungsbogen zum Ende hin noch einmal stark aufbauen. Der Stil ist fokussiert und nüchtern - genau richtig für die Geschichte.

Das Thema der Geschichte ist brisant und aktuell: Was auf den ersten Blick vielleicht ein wenig "Game of Thrones"-mäßig daherkommt, wandelt sich schnell zu einem realistischen Blick auf die Herausforderungen unserer Zeit: Klimawandel, Flüchtlingskrise, Brexit sind Probleme, die in diesem Roman zu denkbar schlechten Entscheidungen der Weltpolitik geführt haben. So darf es nicht gehen!

Für mich ein sehr starkes Buch, das ohne viel Action, aber dennoch mit viel Dramatik und Eindringlichkeit ausgestattet ist und jeden Leser zum Nachdenken anregt.