Eine Zukunftsvision, die nicht unrealistisch ist

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yellowdog Avatar

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Nicht der erwartete Brexit-Roman sondern ein überhaupt pessimistisches Gesellschaftsbild in Zeiten des Klimawandels, in der ein Land wie Großbritanien exemplarisch in seiner Abschottung ist. Auch andere Ländern wollen Mauern aufbauen und kennen keine Gnade gegen jeden, der nicht direkt dazugehört. Das ist der auf die Spitze getriebene Egoismus.
John Lanchesters dystopischer Roman ist auch entsprechend düster. In einem Interview auf Deutschlandfunk Kultur hat der Autor begründet, warum er jeden Humor aus dem Roman raus genommen hat. Das würde nicht funktionieren und das ist glaubhaft. Doch angenehm zu lesen ist das Buch daher nicht immer. Der Protagonist Joseph Kavanagh, ein junger Mann, der einen 2jährigen Dienst auf der Mauer antritt, ist ein Durchschnittstyp. Kein Held, im Prinzip bereit seine Pflicht zu tun und die ankommenden Flüchtlinge auch zu töten, wenn sie kommen.
Die Gesellschaftsform ist restriktiv geworden und da ist es sicher nicht einfach, sich so zu entwickeln wie es möglich ist. Erst durch eigenen Erfahrungen stellt er das System in Frage.
Für mich bleibt er aber leider durchgängig eine schwache Hauptfigur, da einfach zu wenig Profil hat. Das schadet dem gesamten Roman, da Joseph immerhin der Icherzähler ist.
Die Stimmung, vor allem im dritten Teil, der die Zeit der Verbannung erzählt, ähnelt streckenweise der TV-Serie The Lost, was auch nicht ganz überzeugt.

Die Mauer ist ein Roman mit guten Ansätzen, der durch Schwächen in Plot und Figurenführung, zu wenig aus dem Stoff macht und jedenfalls teilweise daher in seiner Wirkung verpufft.