Klimawandel und die Folgen

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throughmistymarches Avatar

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Während Großbritannien sich über den Brexit streitet und Trump nach seiner Mauer verlangt erscheint mit „Die Mauer“ ein Roman, der hochaktuell scheint –tatsächlich hat John Lanchester damit begonnen, bevor Trump Präsident wurde. Der Roman beschäftigt sich mit dem Klimawandel bzw. eher dessen Folgen und Migration. Da sind einerseits die gestiegenen Meeresspiegel, die alle Strände der Welt überschwemmt haben und die Menschen, die deshalb auf der Flucht sind. Eine Mauer soll Großbritannien schützen, vor dem Wasser, vor allem aber vor „den Anderen“. Alle jungen Briten müssen zwei Jahre Dienst auf der Mauer leisten, als Verteidiger und als Joseph Kavanagh seinen Dienst antritt, begleitet ihn der Leser auf die Mauer. Kälte, Nässe, Dunkelheit, scheinbar nicht enden wollende 12-Stunden-Schichten, dazu die stetige Gefahr, eines plötzlichen Angriffs. Die Verteidiger auf der Mauer warten – sie warten, dass ihre Schicht zu Ende ist, auf Angriffe, auf ein Leben nach der Mauer.
Lanchester verwendet eine simple, fast schon karge Sprache, die die Atmosphäre auf der Mauer perfekt trifft. Bei der Beschreibung der dystopischen Welt bleibt er vage, auch weil Kavanagh nicht wirklich weiß, wie die Welt außerhalb der Mauer ist; dennoch hinterlässt er mit wenigen Worten Eindruck. Die Figuren bleiben blass und/oder stereotypisch. Ich persönlich habe darin die Unbedeutendheit des Individuums gelesen, dass im Kollektiv in dieser Welt nach „dem Wandel“ keine Chance hat, zu florieren. Da sind „wir“ und „die Anderen“ (anzuwenden im Inneren, als auch außerhalb der Mauer), da sind die Jungen und deren Eltern, Gruppierungen wie „die Elite“, die „Verteidiger“, „die Fortpflanzler“, „die Dienstlinge“. Die Zugehörigkeit zu diesen Gruppen kann sich, wie im Lauf des Romans gezeigt wird, schnell verändern; selten geht dem eine eigene Entscheidung voraus. Während zu Beginn nur gewartet wird, überschlagen sich im letzten Drittel die Ereignisse fast, aber alles wird mit derselben, fast schon stoischen Ruhe erzählt, ganz gleich wie brutal die Situation auch sein mag. „Die Mauer“ endet genauso vage, wie die Welt ist, die darin porträtiert wird. Spannend ist auch, ohne viel zu spoilern, dass der erste und der letzte Satz identisch sind – die Mauer als Spiegel?