Zieht euch warm an

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sursulapitschi Avatar

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Es ist kalt auf der Mauer, ist das erste, was uns dieses Buch mitgibt. Kalt, kalt, kalt. Und wenn John Lanchester Kälte sagt, dann meint er auch Kälte. K.Ä.L.T.E.!! Eisige Eiseskälte…

So ist dieses Buch. Es ist witzig, auf eine ganz unterschwellige Art, tief vergrabener britischer Humor, staubtrocken und bitterböse, aber doch komisch, smart irgendwie aber auch stachelig.

England hat sich eingemauert, nachdem „der Wandel“ die ganze Welt zerstört hat und alle „Anderen“ verzweifelt versuchen, auf die britische Insel zu fliehen, die der letzte lebenswerte Ort auf der Welt zu sein scheint. Dass das nicht geht, liegt auf der Hand, da braucht es Wachen.
Joseph Kavanagh tritt seinen zweijährigen Wachdienst auf der Mauer an und hat Angst. Dieser Job ist notwendig aber hoch gefährlich.

Absolut grandios breitet der Autor hier eine Parabel aus. Es klingelt einem in den Ohren, der Brexit der Klimawandel, die Flüchtlingskrise und sogar der Exit vom Brexit. Allerdings tönt es erst deutlich, dann verhalten und plätschert dann langsam aus.
Hier legt man sich nicht fest mit einer Botschaft, eigentlich bleibt sogar das Genre offen. Eine blanke Dystopie kann es nicht sein, dazu bleibt zu viel nur angedeutet, aber was ist es dann? Dieses Buch ist eindeutig zweideutig undeutlich und damit irgendwas zwischen genial und nervtötend.
Am Ende bleiben viele Fragen, trotzdem ist man sich sicher, ein wirklich gutes Buch gelesen zu haben, fragt sich allerdings leicht verdattert, warum.

Wie man dieses Buch bewertet, hängt wohl ganz davon ab, wie man mit diesem Unsicherheitsfaktor umgeht. Ich kann mir von zwei bis zu fünf Sternen alles vorstellen und vergebe vier Sterne für ein Buch, das mich tief beeindruckt hat und das ich gerne gelesen habe, auch wenn ein kleiner Zweifel bleibt, wer hier wohl ein unbestimmtes Defizit haben mag, das Buch oder ich.