Am Dasein leiden...

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an_der_see Avatar

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Der 54jährige Protagonist dieses Romans hat beschlossen sich in 365 Tagen, am 13 Juli, einem Mittwoch, nachts das Leben zu nehmen. Er akzeptiert sich nicht so wie er ist, sagt von sich selber, dass es ihm nicht gelungen war in seinem Leben einem Ideal nachzueifern und die wahre Liebe hat er auch nicht finden können. Dabei geht es ihm eigentlich gut, er arbeitet als Lehrer mit gutem Verdienst, er ist gesund und findet schnell zur Heiterkeit. Für mich als potentielle Leserin dieses Romans stellte sich gleich die Frage, welche tiefer gehenden Gründe er für seinen Suizid sieht, was ist in seinem Leben geschehen, dass ihn an diesen Punkt geführt hat.
In relativ kurzen Kapiteln bekommt man auf den ersten Seiten des Roman einen kleinen Einblick in die Kindheit des Protagonisten. Er ist von Eltern im Mittelstand aufgewachsen, hat einen Bruder, hatte immer das Gefühl, seine Eltern bevorzugten seinen Bruder, liebten ihn mehr. Man beginnt in diesen ersten Kapiteln zu erahnen, dass sein Vater gewalttätig war, seine Mutter keine Heilige, dass sein Vater bereits im Alter von 50 Jahren gestorben ist.
Sehr viele Andeutungen die mich sehr neugierig auf diesen Roman gemacht haben. Warum ist sein Vater so früh gestorben und unter welchen Umständen? Wie hat sich das Verhältnis zwischen den Brüdern entwickelt? Man kann erahnen, dass es sich nicht zum Besten entwickelt hat und ich würde sehr gerne mehr darüber erfahren. Genauso wie über die Ehe des Protagonisten mit seiner Frau Amalia, die geschieden wurde, aus der ihr Sohn Nikita hervorgegangen, für den er nur ein Besuchsrecht, aber nicht das Sorgerecht bekommen hat.
In den einzelnen Kapiteln springt der Autor zwischen den Zeiten, mal in der Vergangenheit, mal in der Gegenwart, mal in beiden zugleich. Mich hat diese Erzählweise sehr angesprochen, sie wirkt authentisch. Ich hatte das Gefühl, dass sich nach und nach ein abgerundetes Bild des Protagonisten, seines Umfeldes, seines vergangenen und gegenwärtigen Lebens ergeben wird. Die Leseprobe hat mich sehr neugierig auf dieses Bild gemacht und am liebsten hätte ich gleich weiter gelesen.
Natürlich ist die Neugierde auch sehr groß, was geschehen wird, wenn die 365 Tage vergangen sein werden. Welche Menschen wird der Protagonist in dieser Zeit treffen, wird er weiterhin als Lehrer arbeiten, vielleicht reisen, in den Tag hinein leben? Gewiss ist, dass er viel Rückschau halten, sich sein Leben selber erklären wird.
Ich würde „Die Mauer Segler“ von Fernando Aramburu sehr gerne vorablesen und den Protagonisten auf seiner Reise in die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft begleiten. Ich möchte mehr über sein Leben erfahren, die Zusammenhänge verstehen und tief eintauchen in diesen Roman, in der Gewissheit, dass ich über 800 Seiten Zeit dafür haben werden.