Tiefgang trotz Distanz zum Leben

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bluesjj Avatar

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Mir gefällt die besondere Schreibweise, die Einblicke in die mehr als 50 Jahre andauernden Lebensgeschichte des Protagonisten gibt. Besonders die Mischung aus zusammenhanglosen Erinnerungen und doch gleichzeitig aufeinander aufbauenden Szenen. So lernt der Leser Stück für Stück den Protagonisten kennen und kommt dem Rätsel näher, warum dieser sich zu diesem radikalen Schritt entschieden hat. Interessant finde ich auch die Mischung aus Nähe und Distanz, die der Ich-Erzähler zu seinem Erzählten aufbaut. Das hat fast noch etwas von kindlicher Naivität, wenn er zurückblickt, weil er meistens das Geschehene wiedergibt, ohne es aus heutiger Sicht zu kommentieren oder aus einem anderen Blickwinkel zu sehen. Als wäre er ein stiller Beobachter seiner eigenen Geschichte, der auf Distanz bleibt. Wahrscheinlich fühlte er sich auch in der Vergangenheit häufig so. Ich bin mir allerdings noch nicht sicher, was der Grund dafür ist. In der Leseporbe wird deutlich, dass seine Kindheit nicht immer einfach war. Und auch die Eltern scheinen psychisch alles andere als stabil gewesen zu sein. Toni scheint Zeit seines Lebens das Gefühl gehabt zu haben, nicht genug beachtet oder geliebt zu werden. So stark, dass er als Kind zu der Übersprungshandlung neigte, in den Fluss zu springen. Wollte er sich schon damals das Leben nehmen? Ging es ihm um Beachtung? Und auch bei dieser Schilderung des Geschehenen fehlt wieder völlig der Bezug zu ihm selbst. Der Leser erfährt nicht, was er gedacht oder gefühlt hat, nicht einmal, was er heute darüber denkt oder fühlt.
Dennoch ist das Buch alles andere als trist. Dem Autor ist es gelungen, den Spagat zwischen Ernsthaftigkeit bzw. Tragik und einem lebhaftem Schreibstil zu finden.
Ich bin gespannt, wie ihn die Begegnung mit der Frau verändert. Ob er wieder eine Verbindung zu seinem Inneren, zu seiner Gefühlswelt findet und wie er damit umgeht. Und, ob er sich für das Leben entscheidet. Und ich bin gespannt, weshalb das Buch diesen Namen trägt.