Ein Mythos mal anders erzählt

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dicketilla Avatar

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Bereits das Cover des Buches erzeugt durch seine Farbigkeit, karibisches Flair, welches sich aber bald in grauen Tönen zeigt. Es geht um eine Meerjungfrau, die durch den Gesang des Fischers David Baptiste aus dem Meer auftaucht. Diesen erst in Schrecken, dann in Faszination ihr gegenüber aufgeht.
„Ich glaub’ anfangs, sie muss aus einer Lücke in Gottes großer Ordnung sein und aus der Zeit, wo alles Leben erst ausgedacht wurde.“
Doch dann fischt sie ein Amerikaner aus dem Meer. Er habe schließlich dafür bezahlt, daher gehöre sie ihm und könne mit ihr viel Geld machen. Wie eine Trophäe gefangen und gedemütigt neben den anderen Fischen aufgehängt.

Wer gehört wem und was machen wir mit Wesen, deren Fremdheit uns abschreckt?
Es ist eine Geschichte, die sich diesen Fragen stellen muss. Black Conch, eine karibische Insel, die in den Jahrhunderten von den unterschiedlichsten Kolonialherrschaften unterdrückt wurde. Deren Menschen es eigentlich besser wissen müssten.
„(...) eine Indigene der karibischen Insel, eine von ihren eigenen Gefährtinnen Verfluchte, deren Leute so gut wie ausgestorben waren (...)“
Monique Roffey hat den Mythos um die Meerjungfrau genutzt, um eine Geschichte einer ungewöhnlichen Liebe zu erzählen. Zwei Ungleiche, die sich zögernd, aber offen einander nähern, doch immer um ihre Sicherheit bangen müssen. Aber auch um den Kampf der Frauen selbstbestimmt ihr Leben gestalten zu können. Die unterschiedlichsten Charaktere, voller Hass, Eifersucht und Gier begegnen dem Leser. Aber es gibt auch Offenheit, Verständnis, gerade von denen, denen auch eine gewisse Ausgrenzung das Leben erschwert.

Die Autorin nutzt unterschiedliche Formen der Erzählung. Teilweise sind es Tagesbucheintragungen von Babtiste, dann wieder Versformen, die Gedanken der Meerjungfrau widerspiegeln. Besonders gefallen haben mir die Landschaftsbeschreibungen, die Kraft des Meeres und der zerstörenden Stürme. Anfangs war ich etwas verwirrt über diese stellenweise sonderbare Sprache, bei der die Übersetzerin den unterschiedlichen Dialekt der karibischen Bewohner versuchte darzustellen, aber man kann sich schnell darauf einlassen.
Für mich eine ungewöhnliche Geschichte mit viel Poesie und Tiefgang.