Erfahrungen von und mit einer Meerfrau

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
violettera Avatar

Von

Die leuchtenden Farben des Covers mit dem schuppigen Hintergrund, der abstrahierten Darstellung eines Fischschwanzes und einer Schildkröte weisen auf das exotische Thema hin: das Auftauchen einer Meerfrau vor der Küste einer Karibikinsel im Jahr 1976.
Ein Fischer von der kleinen Insel Black Conch entdeckt die Meerfrau beim Fischen, lockt sie mit Gesang und Musik, so dass sie immer wieder auftaucht, wenn sie sein Boot hört. Beim jährlichen Angelwettbewerb wird sie jedoch wie ein großer Fisch von Amerikanern gefangen, die sie als Trophäe, eher tot als lebendig, verkaufen wollen. Der Fischer, dem sie ans Herz gewachsen ist, stiehlt sie vom Haken an der Mole und bringt sie heimlich bei sich unter. Nun geschieht ein Wunder: Sie überlebt und entwickelt sich an Land ganz allmählich in eine Menschenfrau zurück, lernt schließlich gehen und sprechen, wird seine Geliebte. Er träumt von Heirat und Kindern. Aber auf ihr lastet ein ewiger Fluch, den eifersüchtige Frauen vor Jahrhunderten über sie verhängt hatten, als sie ein wunderschönes junges Mädchen war. Und so ahnen wir schon beim Lesen, dass dieses Märchen nicht gut ausgehen wird.
Monique Roffey behandelt in ihrem schmalen Roman große Themen wie Fremdsein und Einsamkeit, wenn man anders ist, z.B. aufgrund von Herkunft, Hautfarbe, Behinderung. Es geht um Hass und Eifersucht, Schuld und Geldgier, um die Vergehen von Menschen an der Natur, an Meereswesen, auch an Mitmenschen. Die Macht des Bösen ist groß. Es geht aber auch um Liebe und Lust, Hilfsbereitschaft und Freundschaft, Sehnsucht und Verlust. All dies vor dem Hintergrund der kleinen fiktiven Karibikinsel, wo Menschen aus verschiedenen Kulturen eine bunt zusammengewürfelte Gesellschaft bilden.
Die Sprache irritiert, wenn der lokale Dialekt wiedergegeben wird. In der englischen Originalfassung mögen die weichen umgangssprachlichen Wendungen, Verkürzungen und Wortverdopplungen des Black-Conch-English passen, in der deutschen Übersetzung wirken sie befremdlich. Aber die ganze Geschichte ist ja befremdlich für uns, und so passt auch die Sprache dazu. Lesenswert ist dieser Roman allemal, und die starken Bilder bleiben haften.