Die Farben der Musik

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
leselockbuch Avatar

Von

Ende des 17. Jahrhunderts bekommt eine Prostituierte in Venedig ein Baby. Der Versuch, sich und das Baby zu ertränken misslingt, und sie legt es in eine Art Babyklappe eines Klosters/Waisenhauses.
Dieses Waisenhaus ist etwas besonderes, denn die Mädchen dort bekommen eine musikalische Erziehung. Die besten werden für das Orchester ausgewählt, erhalten Privilegien und verdienen durch ihre Auftritte das Geld für das Waisenhaus.
Antonio Vivaldi wird musikalischer Leiter dieses Orchesters und eine seiner Schülerinnen ist Anna Maria della Pietà, das Baby, das in die Mauernische gelegt wurde und die eine herausragende Violinistin wird. Sie führen das Orchester nicht nur zu großem Erfolg, sie komponieren auch zusammen, was damals Mädchen/Frauen verboten war.
Meine Meinung:
Ich fand den historischen Einblick wirklich sehr spannend. Der Roman bezieht sich auf die real existierende Virtuosin und das Waisenhaus und ich kannte beide nicht. Auch der Zeitgeist ist aus meiner Sicht realistisch eingefangen.
Der Roman ist süffig geschrieben und lässt sich gut lesen.
Anna Maria nimmt Töne als Farben wahr und diese Besonderheit ist sehr schön und nachvollziehbar beschrieben.

Einiges hat mir leider nicht gefallen:
Dass es sich bei dem Lehrer um Vivaldi handelt, wird eigentlich nur durch die Inhaltsangabe und das Vorwort klar. Innerhalb des Buches wird der Name "Antonio" zum ersten und einzigen Mal auf Seite 131 erwähnt. Ansonsten wird er immer nur mit Lehrer, Maestro, etc. umschrieben. Wenn man sich mit dem Aussehen und mit der Erkrankung von Vivaldi auskennt, kommt man vielleicht auch durch solche Beschreibungen darauf, aber wer weiß schon, dass er rote Haare und eine Lungenerkrankung hatte? Die Bezeichnung "Teufelsgeiger" auf Seite 41 hat mich sogar kurzzeitig verunsichert, weil ich sofort Paganini im Kopf hatte ...
Da "Vivaldi" nicht gut wegkommt in der Geschichte, wollte sich die Autorin vielleicht nicht festnageln lassen. Im Anhang steht, es sei eine fiktionale Geschichte, inspiriert vom wahren Leben der Anna Maria, aber diesen Aspekt finde ich nicht gut umgesetzt.
Einige Szenen fand ich auch zu dramatisch und inszeniert. Ein Arzt wartet durch die Schuld von Anna Maria eine Stunde vor dem Tor, obwohl es eine Glocke bei der Mauernische gibt? Er schafft es wirklich nicht, sich anderweitig bemerkbar zu machen bzw. bleibt eine Stunde einfach davor stehen? Das glaube ich nicht. Und es gibt noch weitere Szenen, die für mich unrealistisch sind.

Dennoch ist das Schicksal von Anna Maria berührend. Schon als Kind leidet sie unter dem Druck, sich eine Form von Sicherheit zu erkämpfen. Dank ihres Ehrgeizes und vieler Entbehrungen schafft sie trotz einiger Rückschläge Großes und das ist bewundernswert. Deshalb halte ich es trotz meiner Kritikpunkte für ein sehr lesenswertes Buch und empfehle es allen, die sich für starke Frauenfiguren und historische Stoffe interessieren.